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Steiermark

PV-Ausbauplan: Meilenstein oder steiniger Weg?

In der Steiermark entfallen von 824 ha ausgewiesenen PV-Vorrangflächen 50 % auf Böden in landwirtschaftlichen Vorrangzonen. Das stößt Bauern sauer auf. Dabei gibt es praktikable Lösungen.

Lesezeit: 8 Minuten

Anja Rautnig hat das Thema recherchiert.

Erst am 25. Jänner wurde es von der steirischen Landesregierung zur Begutachtung vorgelegt: Das „Sachprogramm Erneuerbare Energie – Solarenergie“. Doch es sorgt bereits für heftige Diskussionen unter Landwirtschaftsvertretern.

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Landesregierung: „Ohne ­Freiflächen geht es nicht“

Konkret beinhaltet das von der federführenden Landesrätin Ursula Lackner als „Meilenstein“ bezeichnete Programm, den Entwurf einer landesweiten Umwidmung von insgesamt 824 ha zu PV-Vorrangflächen. Dies entspricht in etwa einem Drittel der benötigten Flächen für PV-Freiflächenanlagen in der Steiermark.

Ziel sei das rasche Voranschreiten der Energiewende, heißt es dazu seitens des Landes, welche ohne die Nutzung von Freiflächen für PV-Anlagen nicht möglich sei. Bestärkt wird diese Position durch Berechnungen zum rasant steigenden Strombedarf aus Erneuerbarer Energie bis 2050.

„Der PV-Ausbau ist bis 2030 mit +11 TWh/a beziffert, bis 2040/50 muss man mit +80 bis 100 TWh/a Energieproduktion aus PV rechnen“, erläutert dazu Christian Mikovits vom BOKU-Institut für Nachhaltige Wirtschaftsentwicklung. Vor diesem Hintergrund steht auch die steirische Landwirtschaftskammer einer kontrollierten Erschließung des Photovoltaikpotenzials positiv gegenüber. Allerdings nur unter Einbindung der heimischen Betriebe und auf explizit dafür geeigneten Flächen. Das hebt auch Mikovits hervor.

Kritisch wird es demnach vor allem da, wo das Ressort von Landesrätin Lackner einen Bedarf an 400 ha Freiflächen-PV auf landwirtschaftlichen Vorrangzonen sieht. Nicht umsonst wurden diese Zonen primär der Landwirtschaft zugestanden. Die steirischen Jungbauern fordern nun, weniger wertvolle Flächen im Freiland zu nutzen, auch wenn dies mit mehr Kosten und Aufwand für die PV-Anlagenbetreiber verbunden wäre.

„Es gäbe genügend Alternativen an unproduktiven Freiflächen und Doppelnutzungen. Wir wissen, es ist der steinigere, aber nachhaltigere Weg“, positioniert sich Bernd Brodtrager für die Jungbauern. Sein Appell geht auch direkt an Landwirte, sich selbst als Energiewirt zu engagieren und aktiver Teil der Energiewende zu werden, anstatt das Feld wortwörtlich auswärtigen Großinvestoren zu überlassen.

Sechsmal mehr Solarstrom

Hintergrund des sich anbahnenden Flächenkonflikts sind die nationalen Ziele zur Energiewende. Österreich will bis 2030 den bundesweiten Strombedarf bilanziell zu 100 % über erneuerbare Energie decken. Die Steiermark hat sich – neben anderen Ausbauplänen – das Ziel gesetzt, die regionale Solarstromerzeugung von derzeit etwa 0,5 TWh/Jahr auf 2,8 TWh/Jahr bis 2030 zu steigern. Dafür wurde in einem ersten Schritt PV im Neubau gesetzlich vorgeschrieben.

Dem folgte eine Raumordnungsnovelle, mit der seit April 2022 alle steirischen Gemeinden verpflichtet sind, ein Sachbereichskonzept Energie zu erarbeiten. So soll der kleinteilige PV-Ausbau in geregelten Bahnen erfolgen. Allein im vergangenen Jahr installierten Gemeinden 200 MW an PV-Leistung. Zusätzlich legt das Land Wert auf Förderungen von Energiegemeinschaften sowie „Innovativer Photovoltaik-Doppelnutzung“.

Alle diese Wege führen zu einer Steigerung der PV-Kapazität im Land und werden auch seitens der Landwirte begrüßt. Ebenso bei der Priorisierung von PV-Ausbau-Flächen sind sich Land und Landwirtschaft (theoretisch) noch einig: Primär müssen Dach- und Fassadenflächen, bereits versiegelte Flächen (z. B. Parkplätze) und vorbelastete Flächen herangezogen werden.

Vorzeigebeispiel ist der Ende letzten Jahres in Betrieb genommene Photovoltaik-Park Bärnbach der Energie Steiermark. Auf der ehemaligen Braunkohle-Aschekippe produzieren rund 40.000 Solarkollektoren jetzt 18 Mio. kWh im Jahr. Ein Projekt, das partnerschaftlich mit den Gemeinden sowie der GKB Bergbau als Grundstückseigentümer umgesetzt wurde.

Landwirtschaftliche ­Vorrangzonen kritisch

Bei Deponien und verbauten Flächen schreitet die Energiewende also von allen Seiten gewollt voran. Anders verhält es sich bei jenem Teil der Ausbaupläne, welcher PV auf landwirtschaftlichen Flächen betrifft. Davon braucht die Steiermark (wie in Übersicht 2 ersichtlich) rund 2.400 ha, eine Zahl, die aus der Studie „Grünes Herz“ (2021, Österreichische Energie Agentur AEA) hervorgeht und welche die Grundlage für das PV-Ausbauprogramm der Regierung darstellt. Bis 2030 soll in der Steiermark der Großteil der PV-Freiflächen mit Projekten bis 10 kW weiterhin auf Gemeindeebene vorangetrieben werden.

Wo aber kommen die Großanlagen hin? Es ist ein offenes Geheimnis, dass bereits seit einigen Jahren PV-Anlagenbetreiber mit Optionsverträgen an die Türen von Grundstücksbesitzern klopfen, um sich strategisch günstige Lagen für PV-Anlagen zu sichern. Sie locken mit enorm hohen Pachtpreisen von mehreren Tausend Euro pro Hektar. Kein Landwirt kann da finanziell mithalten. Betriebe, die auf Pachtflächen angewiesen sind, kommen schnell in Bedrängnis.

Vor diesem Hintergrund entschied sich Agrarlandesrat Johann Seitinger für einen Kompromiss in dem ressortübergreifend erarbeiteten Sachprogramm für PV. Um die hochwertig und mittel-hochwertig eingestuften Ackerböden zu schützen, wurden 57.000 ha der landwirtschaftlichen Vorrangflächen in der Steiermark für die PV-Nutzung ausgeschlossen. Erlaubt sein sollen dort künftig bestenfalls Agri-PV-Anlagen, die eine weitere, ertragreiche landwirtschaftliche Nutzung ermöglichen. 99,3 % der landwirtschaftlichen Vorrangzone ist damit zwar geschützt, dafür sollen 400 ha landwirtschaftlicher Flächen in PV-Vorrangzonen umgewidmet werden, bei denen eine besonders günstige und rasche Einspeisung großer Mengen an Solarstrom möglich wäre.

Jungbauern fordern ­Alternativflächen

„Solange mir niemand erklärt, wie ich auf meinem Dach Erdäpfel anbauen kann, sollte zu Beginn die Priorisierung der Flächennutzung eingehalten und die besten Böden zum Schluss herangezogen werden“, verbildlicht Jungbauer Brodtrager das Kernproblem. Die bereits 2022 gestartete Initiative „Dächer statt Äcker“ der Jungbauern zielt da-rauf ab, die Energiewende unter Einbezug der lokalen Bevölkerung und mit dem Fokus regionaler Wertschöpfung voranzutreiben.

Nur muss gerade in einem versiegelungsstarken Land wie Österreich – wir sind mit 12 ha/Tag trauriger Europameister – jede Möglichkeit nach PV-Nutzung auf bereits verbauter Fläche genutzt werden. So wurde als Reaktion beispielsweise in der Gemeinde Hofstätten eine Erneuerbare Energie-Gemeinschaft gegründet und ein Park & Ride Projekt mit PV geplant, das als Bürgerbeteiligungsmodell umgesetzt werden soll.

Sinnvolle Möglichkeiten in der Landwirtschaft wären Agri-PV-Projekte wie aufgeständerte Module als Hagel­netzersatz in Obstkulturen, bifaziale Zaunelemente in der Ackerwirtschaft oder überdachte Hühnerweiden in der Geflügelwirtschaft.

Freiflächen-PV wäre auch auf landwirtschaftlich nicht oder nur schlecht nutzbaren Flächen machbar, etwa auf Steilhängen oder schlecht bewerteten Stein-Lehm-Böden.

So wie der Entwurf zum PV-Ausbauprogramm aber momentan aussieht, fallen auch die fruchtbarsten Ackerböden in den Umwidmungsplan. Die pseudovergleyte Braunerde im Raabtaler Ackerbaugebiet liefert durch ihre außerordentlich hohe Wasserspeicherfähigkeit die weltweit höchsten Maiserträge ohne künstliche Bewässerung. Dennoch sind einige dieser Böden als mittelwertig eingestuft und wurden nun für PV-Nutzung vorgesehen.

Netzanschluss Entscheidend

Doch ohne die Gewährleistung einer sicheren Stromabnahme ist auch die beste PV-Anlage nicht mehr als ein enorm teurer Schattenspender. Wesentlich ist also der Netzzugang sowie die Zusicherung des Netzbetreibers auf Stromabnahme. Hier werden unterschiedliche Forderungen laut.

Der Landesobmann der steirischen Jungbauern, Ralf Wagner, fordert von der Landesregierung, den Fokus beim Netzausbau auf dezentrale Energieversorgung zu legen, ganz nach dem Motto „Aus der Region für die Region“. Ähnlich äußert sich die Landwirtschaftskammer Steiermark, welche auch auf die Dringlichkeit des Netzausbaus hinweist.

Viele landwirtschaftliche Betriebe möchten PV-Strom einspeisen, aber können dies aufgrund der schwachen Leitungen nicht umsetzen. Das betrifft speziell Berggebiete, welche ein enorm hohes Dachflächenpotenzial aufweisen. Im Büro von Landesrätin Ursula Lackner ist man sich der Problematik des Netzausbaus durchaus bewusst. Allerdings wäre das Erschließen von peripheren Gebieten mit einem ausreichend starken Netzanschluss nur mit extrem hohen Investitionen und Eingriffen in die Infrastruktur möglich.

Schnelle Zielerreichung oder langfristig nachhaltig?

Unter der Prämisse in absehbarer Zeit die größtmögliche Strommenge zu günstigen Bedingungen zu erzeugen, sei also eine bestmögliche Nutzung der vorhandenen Infrastruktur essenziell, heißt es im Sachprogramm.

Aufgrund der geografischen Gegebenheiten in der Steiermark, wo sich die Infrastruktur in Talflächen bündelt, wird der Flächenkonflikt verschärft. Denn Stromleitungen und Äcker liegen häufig nah beieinander. „Es ist entscheidend, die Landwirtschaft und damit unsere Ernährungssicherheit jetzt zu schützen.

Ist eine PV-Großanlage erst einmal gebaut, sind die Flächen darunter nicht nur für bis zu 40 oder mehr Jahre der Lebensmittelproduktion entzogen. Die dafür installierte Netzinfrastruktur kann als Argument missbraucht werden, in weiterer Folge für die Energieziele 2040 noch mehr fruchtbarste Ackerflächen an Solarstrom-Anbieter zu verlieren“, warnt Brodtrager. Bedroht sei dadurch nicht nur die nachhaltige Versorgung mit regional produzierten Lebensmitteln, sondern auch Existenzen landwirtschaftlicher Familienbetriebe und Wertschöpfung. Ausländische Investoren streifen Gewinne ein, die Region geht leer aus. Ein Grund mehr, jetzt Alternativflächen zu diskutieren.

Die Begutachtungsfrist zum PV-Sachprogramm läuft noch bis 23. März. Seitens des Landes wurde hierzu versichert, dass alle einlangenden Stellungnahmen beantwortet werden und man an einem lösungsorientierten Dialog interessiert sei.

Die Jungbauern unterstützen den weiteren PV-Ausbau und sehen sich in Zukunft selbst als Landwirte und Energiewirte mit zwei Einkommensquellen in Synergie, solange die Gesellschaft eingebunden ist und der Mehrwert in der Region verbleibt.

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