Unsere Autoren: Werner Hagmüller, HBLFA Raumberg-Gumpenstein, Helmuth Raser, LFI NÖ und Anja Eichinger, FIBL Österreich
Ferkeldurchfälle zählen nach dem Absetzen zu den häufigsten tiergesundheitlichen Herausforderungen von Bioferkelerzeugern. Eine mangelhafte Vorbereitung des Magen-Darmtraktes auf die Futterumstellung begünstigt das Auftreten der Durchfälle.
Bei längerer Säugezeit gewinnen die Ferkel wertvolle Tage, an denen die Menge an aufgenommenem Beifutter stetig steigt und das Enzymtraining forciert wird. Welchen konkreten Einfluss eine Verlängerung um eine Woche hat, wurde in einem EIP-Projekt untersucht (Einzelheiten dazu siehe Seite 48).
Ferkel: Hohe Futteraufnahme
Im Fokus des Projektes standen vor allem die Ferkel. Dabei ging es unter anderem um die täglichen Zunahmen während der Säugezeit. Die Ferkel nahmen ca. 300 g an Lebendmasse pro Tag zu. Durch das Absinken der Milchleistung ab der dritten Säugewoche werden diese Zunahmen nicht nur aus Milch, sondern auch aus Beifutter erreicht. Je früher die Ferkel zu fressen beginnen, desto nachhaltiger stellt sich der Verdauungstrakt auf die pflanzlichen Inhaltsstoffe des Beifutters um.
Die Festfutteraufnahme bewegt sich in den ersten Lebenswochen auf sehr niedrigem Niveau und steigt erst ab der fünften Säugewoche nennenswert an (siehe Übersicht 1). Mit der Festfutteraufnahme steigen auch die Tageszunahmen der Ferkel deutlich (siehe Übersicht 2).
Nach der sechsten Säugewoche betragen die Tageszunahmen der Ferkel bereits über 500 g. Dabei ist die Futterverwertung so gut wie in keinem anderen Lebensabschnitt. Werden die Ferkel nach verlängerter Säugezeit abgesetzt, sind sie bereits gut auf die Zeit ohne Mutter vorbereitet. Die üblichen Schwierigkeiten wie Durchfall können so gemildert werden.
Genügend Futter für die Sau
Für das Muttertier bedeutet eine Verlängerung der Säugezeit eine stärkere physiologische Belastung. Wenn große Würfe mit mehr als 12 Ferkeln gesäugt werden, wird der Platz am Gesäuge zusehends knapp. Es kommt zu vermehrter Unruhe am Gesäuge.
Zudem müssen die Sauen genügend Futter aufnehmen, um den erhöhten Anforderungen der Säugezeit gerecht zu werden. Da die Milchleistung nach der dritten Säugewoche kontinuierlich abnimmt, lässt sich bei Ad-libitum-Fütterung und bedarfsgerechten Rationen der Ernährungszustand der Sauen halten. Manche Sauen nehmen bereits wieder an Lebendmasse zu. Tiere mit kleinen Würfen neigen in dieser Zeit bereits zum Verfetten, was bei der Futtervorlage berücksichtigt werden muss.
Das Absetzen der Ferkel führt zur Auslösung einer neuerlichen Brunst. Bei länger gesäugten Sauen kann es ab und zu vorkommen, dass die Brunst bereits während der Säugezeit auftritt. Das kann bei einem Produktionsrhythmus zu Problemen führen, weil solche Sauen nach dem Absetzen meist deutlich verzögert in Rausche kommen.
Ohne bauliche Maßnahmen
Viele Biobetriebe führen ihre Sauenherde in einem 3-Wochen-Rhythmus. Dieser Produktionsrhythmus ermöglicht eine Verlängerung der Säugezeit von sechs auf maximal acht Wochen ohne bauliche Maßnahmen. Es werden dadurch lediglich die Leerstehzeiten des Abferkelstalls verkürzt. Das mindert aber etwas die Flexibilität für Umsperren und Reinigen der Ställe.
Bei kontinuierlicher Produktion ohne festen Rhythmus kann eine Verlängerung der Säugezeit ebenfalls problemlos erfolgen. Aufgrund der in diesem System nicht vorgegebenen Absetztermine der Ferkel können Landwirte somit die Länge der Säugezeit individuell und je nach Verfügbarkeit der Abferkelställe wählen.
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Säugezeit bis zu 20 Tage längerBeim EIP-Projekt „Verlängerte Säugezeit in der Bioferkelproduktion“ wurden neun Landwirte unterstützt, ihre Sauen auf eine verlängerte Säugezeit umzustellen. Die Betriebe waren sehr unterschiedlich organisiert und hielten zwischen 13 und 128 Sauen. Jeder Betrieb verlängerte die bestehende (mind. 40-tägige) Säugezeit um mindestens eine Woche, sodass die Säugezeit danach zwischen 49 und 61 Tagen betrug.
Die Leistungen der Betriebe lagen im Mittel bei 10,2 abgesetzten Ferkeln pro Wurf (12,9 lebend geborene). Die direktkostenfreie Leistung lag zwischen 1 100 und 1 950 €. Das unterstreicht die großen Unterschiede zwischen den untersuchten Betrieben.::}}
Geringere Direktkosten
Der Einfluss der verlängerten Säugezeit auf den wirtschaftlichen Erfolg ist eher gering. Eine Woche Säugezeit kostet zwar etwa 0,08 Würfe und damit ca. 0,8 verkaufte Ferkel sowie 140 € Erlös je Sau und Jahr. Demgegenüber stehen aber einzelbetrieblich sehr individuelle Vorteile. Verschiebungen bei den Futterkosten, sowie geringere Verluste und Tiergesundheitskosten können die Mindererlöse gegebenenfalls sogar wettmachen.
Die Streuung zwischen den Betrieben, die bereits Erfahrung mit verlängerter Säugezeit haben, ist allerdings deutlich größer als der Einfluss der Säugezeitverlängerung. Allein bei der Anzahl verkaufter Ferkel wurden bei ausgewählten Projektbetrieben Unterschiede von bis zu sechs Ferkel/Sau/Jahr ermittelt.
Festzuhalten bleibt, dass sich Gruppensäugeställe sehr gut für längere Säugezeiten eignen. Denn dem Einzeltier steht in solchen Gruppenbuchten mehr Platz zur Verfügung als in Einzelbuchten. Zudem ist bekannt, dass das Fressen in Gruppen die Futteraufnahme stimuliert. Da alle Sauen einer Gruppe den Saugakt meist synchron beginnen, gehen alle Ferkel gleichzeitig zum Gesäuge und es wird Fremdsaugen unterbunden.
Kein Allheilmittel
Allerdings ist eine verlängerte Säugezeit kein Allheilmittel für Betriebe, die Probleme in und nach der Säugezeit haben. Sie kann aber einen Beitrag zu stabileren Ferkeln und höherer Tiergesundheit leisten.
Wenn auch bei einzelnen Betrieben der einzige Effekt der verlängerten Säugezeit in der Verbesserung der Ferkelgesundheit lag (Durchfallproblematik), entstand daraus eine erhöhte Zufriedenheit der Tierbetreuer. Dieser Parameter ist kaum wirtschaftlich zu beurteilen, stellt aber dennoch einen hohen Wert dar.
REPORTAGE
Um die Hälfte weniger Antibiotika
Da Christian und Gabi Holzer aus Perg (OÖ) immer wieder Probleme mit Ferkeldurchfällen hatten, verlängerten sie die Säugezeit. Damit konnten sie den Medikamenteneinsatz nahezu halbieren.
Die Gesundheit der Ferkel war der Grund, warum Christian und Gabi Holzer aus Perg (OÖ) vor über drei Jahren die Säugezeit verlängerten. Seitdem lassen sie die Ferkel mindestens 49, je nach Gruppe auch 56 Tage bei den Sauen. Ab der dritten Woche füttern sie den Ferkeln hofeigenes Ferkelaufzuchtfutter dazu, damit sich diese früh an das feste Futter gewöhnen können. Die Rationen steigern sie im Laufe der Säugezeit je nach dem Bedarf der Ferkel. „Am Schluss sind es zwei Mal am Tag etwa 1 kg, die wir den Ferkeln zufüttern“, erklärt Christian Holzer.
Weniger Stress beim Absetzen
Die Sauen bekommen während der Säugezeit Säugendfutter. „Bei Würfen von zwölf Ferkeln erhält die Sau um ein Viertel mehr Futter, damit diese nicht zu viel absäugt“, erklärt er weiter. Er berichtet auch, dass sich die Sauen bei 13 bis 14 geborenen Ferkeln zum Ende der Säugezeit schwerer tun, alle Jungtiere zu versorgen. Daher setzen Holzers die größten Ferkel schon früher ab als die anderen.
Weil es der Platz am Betrieb erlaubt, lassen die Biobauern die Ferkel nach dem Absetzen außerdem noch für eine Woche allein in der Abferkelbucht. „So können wir den Stress beim Absetzen weiter vermindern“, erklären sie.
All diese Maßnahmen führten dazu, dass Ferkeldurchfälle am Betrieb kein Thema mehr sind. Der Medikamenteneinsatz hat sich zudem fast um die Hälfte halbiert. Gleichzeitig können die Bauern im Schnitt ein Ferkel mehr pro Sau und Jahr verkaufen. Für die Biobauern, die 18 Zuchtsauen halten und etwa 300 Mastschweine im Jahr mästen, ist dies viel und rechnet sich trotz weniger Würfe pro Jahr.
„Da die Sauen im Jahr insgesamt vier Wochen länger säugen, sinkt die Zahl der Würfe im Schnitt von 2,3 auf 2,1“, rechnet Holzer vor. Für die Familie zählt am Ende aber viel mehr, weniger Ausfall zu haben und weniger Antibiotika gegen Ferkeldurchfall einsetzen zu müssen. Da sie für eine Verlängerung der Säugezeit keinerlei Umbauten vornehmen mussten, war die Maßnahme somit einfach umzusetzen.