Unser Autor Andreas Haunschmied, LK OÖ, berichtet.
Die Herden werden immer größer, Stallplätze sind voll belegt, Fläche und Futter wird knapp und die Arbeitsbelastung steigt. Immer mehr Milchviehbetriebe stoßen an ihre Grenzen und überlegen, wie sie sich wieder Luft und Platz verschaffen können. Die Auslagerung der Nachzucht ist hier eine Möglichkeit.
Umgekehrt können kleinere Betriebe, die aus der Milchviehhaltung aussteigen wollen, ihren Betrieb mit dem Jungvieh weiterführen, ohne die Produktion ganz beenden zu müssen.
Es gibt zwei mögliche Abrechnungssysteme: Modell „Verkauf - Rückkauf“ und Modell „Tagsatz“.
Modell 1: Verkauf - Rückkauf
Hierbei kauft der Aufzuchtbetrieb das Kalb dem Milchviehbetrieb ab. Je nach Alter und Gewicht der Kälber richtet sich der Preis nach Durchschnittspreisen der regionalen Viehmärkte, z. B. den letzten drei Versteigerungsterminen.
Das Modell bedarf einer genauen Marktbeobachtung und klarer Vereinbarung, nach welchen Marktpreisen ge- und verkauft wird. Die trächtige Aufzuchtkalbin kann dann sechs bis acht Wochen vor dem errechneten Abkalbetermin vom Milchviehbetrieb zurückgekauft werden. So kann sich die Kalbin auf die neuen Stallbedingungen einstellen, mit der Vorbereitungsfütterung begonnen und eine Klauenpflege durchgeführt werden.
Oft behält sich der Milchviehbetrieb aber auch nur ein gewisses Vorkaufsrecht vor. Falls er die Kalbin nicht zurückkaufen will, kann der Aufzuchtbetrieb die Kalbin selbst weiterverkaufen. Es ist für beide Seiten notwendig, sich rechtzeitig über die Vermarktung der aufgezogenen Kalbin Gedanken zu machen und sich darüber auszutauschen.
Modell 2: Tagsatz
In diesem Modell werden die Kosten für Arbeit und Futter pro Kalbin und Tag veranschlagt. Je nach Höhe dieses Wertes sind zusätzliche Leistungen wie Besamung, Behandlungs- und Tierarztkosten inbegriffen oder auch nicht. Ein höher angesetzter Tagsatz wird meist als „all-inclusive“ angesehen. Er vereinfacht die Abrechnung und ist mit vergleichsweise weniger Aufwand verbunden (siehe Berechnungsbeispiel, Seite 32). Niedrigere Tagsätze werden in der Endabrechnung einer aufgezogenen Kalbin um die Besamungs-, Behandlungs- und Tierarztkosten erweitert. Das macht die Abrechnung vor allem für den Milchviehbetrieb transparenter.
Die Höhe des Tagsatzes wird zwischen Aufzucht- und Milchviehbetrieb vereinbart. Je nach Kostenentwicklungen muss er in den Folgejahren angepasst werden. Die Abrechnung erfolgt nach der fertigen Aufzucht, kann aber auch monatsweise erledigt werden.
Wichtig für den Kuhbetrieb
Der Milchviehbetrieb wünscht sich am Ende der Aufzucht eine gesunde und trächtige Kalbin in guter Kondition.
Im ersten Lebensjahr der Kalbin wird die Basis für die Entwicklung des Rahmens, die Ausbildung der Geschlechtsorgane und die Euterentwicklung gelegt. Daher muss das Kalb im ersten Jahr intensiv gefüttert werden. Mit dem Aufzuchtbetrieb sollte unbedingt vereinbart werden, wie die Fütterung erfolgen soll.
Aus beiderseitiger Sicht ist es auch ratsam, den Aufzuchtstall im Vorfeld zu besichtigen.
Im Hinblick auf Zuchtuntauglichkeit und Verletzungen erwartet der Milchviehbetrieb, rechtzeitig über solche Vorkommnisse informiert zu werden. Zwar ist solch ein Fall auch in der Aufzuchtvereinbarung geregelt, jedoch zeigt die Praxis, dass eine rechtzeitige Information und das Suchen des Gesprächs mögliche Konfliktpotenziale entschärfen kann.
Wichtig für den Aufzüchter
Neben den klaren Vertragsbestandteilen muss geregelt sein, in welchem Alter die Kälber vom Milchviehbetrieb zum Aufzuchtbetrieb kommen. In den meisten Fällen erfolgt die Überstellung nach dem Absetzen der Kälber. So wird der Umstellungsstress klein gehalten und erleichtert auch die Fütterung für den Aufzuchtbetrieb. Voraussetzung ist ein guter Gesundheitszustand der Kälber beim Überstellen sowie die Enthornung.
Werden am Aufzuchtbetrieb die Kalbinnen von mehreren verschiedenen Milchviehbetrieben aufgezogen, so kann über eine Einstellprophylaxe hinsichtlich Krankheitsdruck oder Kälbergrippe nachgedacht werden.
Für die intensive Fütterung im ersten Lebensjahr muss eine entsprechende Futtermenge und Futterqualität sichergestellt werden. Die extensive Phase der Fütterung mit geringeren Ansprüchen an die Energie- und Rohproteinversorgung beginnt erst mit dem zweiten Lebensjahr.
Für die richtige Anpaarung der Kalbin sollte der Aufzüchter mit dem Milchviehbetrieb Rücksprache halten. Ein Vorteil für den Aufzuchtbetrieb ist es, Mitglied bei einem Zuchtverband zu sein. Hier können Anpaarungsempfehlungen eingeholt werden und die Kalbinnen den Zuchtzielen des Milchviehbetriebes entsprechend belegt werden.
- Die Vertragsbestandteile
- In einer Aufzuchtvereinbarung werden der Vertragsgegenstand, das Eigentumsverhältnis und etwaige Besichtigungsmöglichkeiten geregelt.
- In der Regel bleiben die Rinder im Eigentum des Milchviehbetriebes, meist ist der Weiterverkauf nicht erlaubt.
- Die Kriterien zur Übergabe an den Aufzuchtbetrieb, wie z. B. Alter, Gesundheitszustand, Enthornung und Transport werden vorher abgeklärt.
- Die Details für Aufzucht und Haltung, wie z. B. Fütterung, Pflege, Führen eines Jungviehregisters sowie gesonderte Vereinbarungen, sind ebenfalls Teile einer solchen Vereinbarung.
- Das Belegen der Kalbinnen beinhaltet Alter und Gewicht, Anpaarung, Kostenübernahme (Besamung, Trächtigkeitsuntersuchung) und das maximale Alter der erfolgreichen Trächtigkeit sowie eine Definition der Zuchtuntauglichkeit. Hier können auch Prämien, z. B. betreffend des Erstbesamungsalters, eingebaut werden.
- Die Rücknahme der trächtigen Kalbinnen ist der Abschluss des vereinbarten Aufzuchtzeitraumes, wobei aber auch eine Rücknahmefrist und der Transport sowie der Gesundheitszustand bei Übergabe diskutiert werden sollte.
- Der wichtigste Bestandteil einer Aufzuchtvereinbarung definiert die Zuchtuntauglichkeit bzw. den Totalverlust von Tieren. Darüber zu reden und bereits im Vorfeld zu vereinbaren, wie dieser Fall geregelt werden soll, ist für eine gelungene Kooperation unumgänglich. Hierbei wird auch die Meldung der Zuchtuntauglichkeit, die Rücknahme dieser Tiere oder ein Verschulden und Nicht-Verschulden des Aufzuchtbetriebes genau definiert.
- Zum Abschluss einer solchen Aufzuchtvereinbarung werden Entgeltbestimmungen, Zahlungsvereinbarungen sowie Vorgehen bei Vertragsänderungen und Kündigungsfristen vereinbart.
- Vordrucke und Vertragsentwürfe sind bei den Landwirtschaftskammern erhältlich.
Absprachen und Vertrauen
Zum Kooperieren gehören aber immer mindestens zwei. Da braucht es schon die richtige Gesprächsebene, eine gute Chemie und vor allem Vereinbarungen, um Konflikten vorzubeugen. Der erste, zentrale Bestandteil für eine partnerschaftliche Aufzucht ist es, sich auf das richtige Abrechnungssystem zu einigen.
Gegenseitiges Vertrauen benötigt einen gewissen Vorschuss und auch eine gewisse Zeit, damit es sich entwickeln kann. Hier ist Geduld und Nachsicht gefragt. Doch wenn die Gesprächsbasis und die zwischenmenschliche Ebene passen, können beide Seiten von der Kooperation profitieren.
Reportage Josef Schatz - Felckviehzucht
Reportage Betrieb Lienzer Milcherzeugung