Viele Betreiber von Kleinwasserkraftanlagen wollen ihren Strom besser vermarkten. Sechs mögliche Ansätze stellt Paul Ablinger von der Kleinwasserkraft Österreich vor.
Mit knapp 2 Ct pro Kilowattstunde erreichte der Strompreis an der Leipziger Strombörse vergangenes Jahr seinen bisherigen Tiefpunkt. Bevor der Preis seinen Sinkflug begann, musste sich kaum ein Kraftwerksbetreiber Gedanken über den Absatz und den Verkauf seines produzierten Stroms machen. Inzwischen ist genau das nötig geworden.
Die aus Sicht des Betreibers einfachste Variante wären regulatorische Änderungen, die den Ökostromproduzenten bessere Preise zugestehen. Dies könnten Förderungen, Marktprämien oder Mindestpreise sein.
Außerdem müsste die Nutzung sowie vor Allem die direkte und indirekte Förderung von fossilem und atomarem Strom beendet werden, um bessere Preise für Ökostrom zu lukrieren. Allerdings ist davon auszugehen, dass sich die Politik in diesem Bereich weiterhin äußerst träge verhalten wird. So könnte es für viele Betreiber bis zu einer umfassenden Lösung bereits zu spät sein. Sie müssen sich daher andere Strategien überlegen.
Eine Möglichkeit wäre, den Strom an unabhängige Händler zu verkaufen, anstatt ihn an die Abwicklungsstelle für Ökostrom (OEMAG) zu liefern. Davon machen schon einige Kraftwerksbetreiber Gebrauch. Zwar können sie keine großen Sprünge hinsichtlich des Preises machen, aber ein gewisser Mehrertrag ist durchaus möglich.
Zusätzlich können die Betreiber aufgrund einer möglichen längerfristigen Bindung besser planen. Somit haben sie eine gewisse Absicherung gegen sinkende Preise. Rechnet man allerdings mit steigenden Preisen, so sinkt natürlich auch die Attraktivität. Jedenfalls ist aber von Vorteil, dass es dafür eine Reihe von Anbietern gibt. Daher kann die Umsetzung relativ rasch, ohne großen Aufwand und großes Risiko erfolgen.
Eine andere Variante wäre, alleine oder zusammen mit anderen Betreibern Stromhändler zu werden. Dies führt aber zu großem Aufwand und hohem Risiko für die Beteiligten. Dazu ist dies mit einer Vielzahl von Auflagen und potenziellen Komplikationen verbunden. Deswegen ist diese Möglichkeit für die meisten Betreiber nicht attraktiv. Sie soll aber nicht unerwähnt bleiben.
Eine einfachere Lösung wäre hingegen die Regelenergie-Vermarktung, die Reduzierung oder Steigerung der Produktion auf Abruf. Diese hängt zwar nicht direkt mit den Verbraucherpreisen zusammen, bietet aber trotzdem ein gewisses Potenzial für Kleinwasserkraftbetreiber. Regelenergie ist allerdings nicht für jeden Standort möglich. Das liegt an technischen und rechtlichen Einschränkungen. Auch sinken aufgrund steigender Marktteilnehmerzahlen die zu erzielenden Preise.
Daneben sehen es viele Betreiber kritisch, ein Kraftwerk zu errichten, um es dann immer wieder abzustellen und das Wasser vorbeifließen zu lassen. Auch in Hinblick auf die Energiewende ist dies eher fragwürdig. Denn jener Strom, der als Grundlast vorhanden wäre und wenig volatil ist, wird abgeregelt.
Wesentlich attraktiver erscheinen Möglichkeiten, welche die Direktvermarktung bzw. der Direktvertrieb bieten. Die naheliegende und – dort wo es möglich ist – auch finanziell reizvollste Variante ist dabei die Direktleitung sowie die Optimierung des Eigenverbrauchs. Damit fallen bei den Endverbrauchern zumindest variable Netzkosten nicht an. Daher kann ein wesentlich höherer Energie-Arbeitspreis je Kilowattstunde verrechnet werden.
Es kommt somit zu einer Win-Win-Situation: Die Verbraucher können beim Strompreis sparen und die Betreiber können höhere Preise erzielen. Dies führt speziell in der aktuellen Börsepreis-Situation dazu, dass von Betreibern aktiv nach stromintensiven Betrieben gesucht wird.
Auch kommt es in jüngster Zeit immer öfter vor, das Unternehmen, die Krypto-Währungen produzieren, ihre Rechner direkt in Kleinwasserkraftwerken aufstellen. Dabei gilt es aber zu beachten, dass in Österreich die Betreiber der Kraftwerke dafür die Energie-Abgabe abführen müssen.
Problematisch wird das dann, wenn das Kraftwerk den Leistungsbedarf des Abnehmers nicht permanent decken kann. Das kann etwa in Zeiten von Niederwasser oder bei Wartungsarbeiten der Fall sein. Die konkreten Regelungen weichen hier zwar in den einzelnen Bundesländern ab. Es kann aber sein, dass die Direktbelieferung bzw. die Backup-Versorgung verhindert wird.
Jedenfalls muss aber dann aufgrund der Überschusseinspeisung die Ökostrompauschale entrichtet werden. Was vor allem ab der Netz Ebene 5 zu empfindlichen Kostenbelastungen führt (dzt. rund 15 000 €/Jahr). Manchmal kann man sich dann mit einem Pachtmodell helfen. Das ist aber nicht immer möglich oder gewünscht.
Eine Variante der Direktvermarktung, welche bereits jetzt angewendet werden kann, ist der Vertrieb durch Partnerunternehmen. Diese Variante macht sich ebenso die Spreizung zwischen Marktpreis und Strompreis für Endverbraucher zu Nutze.
Inzwischen gibt es Unternehmen, die diese Dienstleistung für Kleinwasserkraftbetreiber anbieten. Sie wickeln also den Vertrieb inklusive aller notwendigen Maßnahmen im Hintergrund ab. Die Betreiber sind dann „nur“ noch für die Kundenakquise zuständig. Die Ökostromproduzenten können so Kunden direkt anwerben und dabei meist einen Tarif erzielen, der deutlich über den sonst möglichen Preisen liegt.
Daher stellt dies eine durchaus praktikable Vorgehensweise dar. Der Vorteil ist dabei, dass man Anrainern und Nachbarn Strom aus dem Kraftwerk zu guten Konditionen liefern kann. Aber auch eigene Anlagen, welche für Direktleitungen zu weit entfernt sind, können so mit eigenem Strom versorgt werden – und natürlich weitere Kunden.
Erste Beispiele zeigen: Es funktioniert und kommt gut an. Man muss sich aber als Kraftwerksbetreiber vom bisher gelebten Verständnis verabschieden, dass man das Kraftwerk errichtet und sich dann nur noch um die Wartung, allenfalls noch um neue rechtliche Vorgaben kümmern muss. Nun ist es auch notwendig, sich um die Vermarktung zu kümmern. Das ist mit zusätzlicher Arbeit und Einsatz verbunden.
Die Kronawettkraftwerks GmbH hat als eine der ersten begonnen, den eigenen Strom so zu vermarkten. Seit Jänner 2016 hat diese inzwischen rund 1,5 Mio. kWh Jahresbezug verkauft. Mehr als die Hälfte der Jahresproduktion wurde somit deutlich über dem Börsepreis verkauft. Und das ohne großes Werbebudget.
Der Preis ist dabei sowohl für die Kronawettkraftwerks GmbH als Betreiber, als auch für die Kunden sehr attraktiv. Wobei von Kundenseite der Tenor eindeutig ist: Ob sie im Jahr ein paar Euro mehr oder weniger zahlen, ist den meisten relativ egal. Wichtig ist, dass sie Strom bekommen, der sicher keinen Atom- oder Kohlestrom enthält.
Für viele ist auch wichtig, dass der Strom möglichst regional ist. Von Leuten, denen der Öko-Aspekt nicht ganz so wichtig ist, die aber die regionale Wirtschaft fördern wollen oder mit dem Versorger unzufrieden sind, hört man dann: „Ob ich‘s euch zahle oder meinem bisherigen Versorger, macht für mich keinen Unterschied. Da kauf ich lieber regional.“
Aus diesen Gründen scheint dies ein Modell zu sein, das auch in Zukunft funktionieren wird und die Kleinwasserkraft von Börsepreisen und Marktmanipulationen unabhängiger machen kann. Zudem kann es einfach und rasch von anderen Kleinwasserkraftbetreibern ebenfalls umgesetzt werden.
Die prinzipielle Bereitschaft und das Interesse der Kunden eröffnet noch weitere Möglichkeiten. Über eine Art der Bürgerbeteiligung bzw. des Crowdfundings können gewissermaßen zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen werden. Einerseits könnte die Finanzierung unabhängiger von Banken gemacht werden. Andererseits können Kunden langfristig gebunden werden, um so auch den laufenden Akquiseaufwand zu reduzieren.
Ein zusätzlicher Effekt kommt dann noch hinzu: Durch die Einbindung vieler wird vermutlich auch die allgemeine Akzeptanz und das Image der Kleinwasserkraft gehoben werden. -al-