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topplus Borkenkäfer

Käferbäume aus der Luft erkennen

Im Kampf gegen den Borkenkäfer setzt die Forstwirtschaft immer mehr auf technische Unterstützung. So kann man aus der Luft mittels Drohne oder Satellit einen Befall schneller erkennen. Wie das genau funktioniert, haben uns zwei Experten erklärt.

Lesezeit: 7 Minuten

Unsere Experten: Kurt Wöls, Leiter desUnternehmens Festmeter undForstbesitzer sowieAndreas Steiner, Abt. Geoinformatik,Festmeter

Aktuell herrscht höchste Borkenkäfergefahr in ganz Österreich. Besonders stark betroffen ist Ost­tirol. Dort sorgt der Käfer für nie dagewesene Schäden. In diesem Sommer ist ein Großaufgebot an Forstleuten unterwegs, um 7.000 ha Wald nach Bäumen abzusuchen, die vom Borkenkäfer befallen sind. Sogar aus Nordtirol werden Waldaufseher zur Unterstützung geschickt. Im Zuge der Begehungen wird jeder einzelne befallene Baum markiert, um ihn möglichst rasch aufzuarbeiten. 1.600 Befallsherde und 30.000 betroffene Bäume wurden bisher gezählt.

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Das noch junge steirische Unternehmen „Festmeter“ geht einen anderen Weg und lokalisiert befallene Bäume auf Luftbildern, die mittels künstlicher Intelligenz analysiert werden.

Laura Anninger traf zwei Experten des Start-ups, Kurt Wöls und Andreas Steiner, zu einem Interview.

Herr Wöls, Ihr Unternehmen Fest­meter unterstützt Forstleute mit smarten Anwendungen. Was kann Ihre Technologie genau?

Wöls: Unser Ziel ist einfach: Wir wollen erkennen, wenn der Wald sich verändert – und zwar so früh wie möglich. Mit Drohne, Leichtflugzeug oder Satellit fliegen wir über den Wald und machen dabei Bilder. Diese werten wir dann mithilfe von Bild-Algorithmen aus. Die Künstliche Intelligenz (KI) hilft uns dabei, alle auffälligen Bäume zu finden.

Wie erkennt man auffällige Bäume?

Wöls: Gesunde Pflanzen reflektieren viel elektromagnetische Strahlung im nahen Infrarot, also in einem Bereich von etwa 840 Nanometer Wellenlänge. Unsere Kameras und Bildsensoren ­nehmen dieses Licht auf. In diesem ­Bereich leuchten die Bäume sehr stark rötlich. Werden die Bäume krank, leuchten sie weniger. Grüne Stellen zeigen uns, dass sie krank werden oder schon kaputt sind.

Wann ist der beste Zeitpunkt zur Borkenkäferdetektion?

Wöls: Wir erkennen nicht, wann sich der Borkenkäfer genau einbohrt. Aber wir sehen die Symptome davon ungefähr vier Wochen danach. Dann hat sich der Harzfluss im Baum verändert und er betreibt viel weniger Photosynthese. Dann hat man noch circa vier Wochen Zeit, den Baum zu verarbeiten, bevor die Käfer ausfliegen. Aktuell findet unsere KI etwa 80 von 100 geschädigten Bäumen. Die KI ist ein lernender Algorithmus, sie wird immer besser, je mehr Entscheidungen und Daten sie erhält.

Erkennt die Künstliche Intelligenz auch andere Baumkrankheiten?

Wöls: Ja, unsere KI erkennt immer in der Krone, wenn sich die Vitalität des Baumes ändert. Sie findet Bäume, die weniger Chlorophyll produzieren. Wir können aber eigentlich nicht sagen, warum der Baum das tut. Der Borkenkäfer ist einer der aggressiveren Schädlinge im Wald. Aber auch die Eschen haben zum Beispiel einen Pilz, der ihre Wurzeln absterben lässt. Die Esche fällt dann plötzlich um, ohne Vorzeichen. Wir können unsere KI darauf trainieren, Eschen zu finden, die ihre Vitalität verloren haben. Aber das geht nur im Frühling und Sommer, wenn die Esche Blätter trägt.

Wie oft muss man für die Borken­käferdetektion fliegen?

Wöls: Im Frühling, nach dem Austreiben der Laubbäume und Lärchen, wird eine Erstaufnahme gemacht. Abhängig von der Witterung erfolgen dann

monatlich Folgeaufnahmen. Damit können wir die Veränderungen und die Schadensdynamik im Wald erkennen.

Wenn die Befliegung abgeschlossen ist, welche Ergebnisse bekommt der Landwirt?

Wöls: Der Waldbesitzer bekommt ein Luftbild, auf dem die KI geschädigte Bäume des Waldes erkannt hat und die GPS-Daten dieser Bäume. Er braucht zum Auffinden der Bäume aber kein spezielles GPS-Gerät. Meistens reicht die GPS-Funktion vom Smartphone aus. Allerdings dämpft der Wald das GPS-Signal stark, daher schwankt die Genauigkeit von sehr ­genau, also unter 1 m bis hin zu rund 20 m.

Braucht man dann überhaupt noch ­einen Förster?

Wöls: Ja klar! Unser Service ist als ­Planungsgrundlage für Förster bzw. Waldbesitzer gedacht. Wenn die zu ­betreuenden Flächen immer größer werden, wird es schwieriger, den Bestand regelmäßig zu kontrollieren. Hierbei hilft z. B. auch unser satellitengestütztes Waldmonitoring. Damit bekommt man einen aktuellen Überblick und kann betroffene Gebiete gezielt aufsuchen.

Für welchen Einsatz eignen sich die Drohnen, ein Leichtflugzeug oder Satelliten genau?

Steiner: Mit der Drohne ­fliegen wir ungefähr 100 m über der Baumkrone. Die Bilder sind genau, die KI kann ­erkrankte Bäume sehr schnell erkennen. Die Drohne kann aber keine sehr großen Flächen abbilden. Nach 40 ha muss sie ­zurückfliegen und man muss den Akku austauschen. Bei Flächen über 100 ha nutzen wir daher ein ­Ultraleichtflugzeug. Über 2.500 ha ­bietet sich der Satellit an.

Wie funktioniert die Satelliten­über­wachung?

Steiner: Der Satellit ist 500 km entfernt. Aber er kommt regelmäßig, meist wöchentlich, an der Stelle vorbei. Das bedeutet, wir können uns mithilfe der Satellitenbilder ansehen, wie sich der Wald über die Zeit verändert. Förster und Waldbesitzer erhalten über die Festmeter-App automatisch vier- bis fünfmal in der Vegetationsperiode eine Info über den Vitalitätszustand ­ihres Waldes. Aber Satelliten bringen auch Probleme mit sich, bei Wolken und Schatten sieht man wenig bis nichts. Am Anfang nutzten wir Bilder der EU-Satelliten Sentinel-2A und ­Senitnel-2B. Diese haben allerdings eine Auflösung von 10 x 10 m. Da kann man eine Baumkrone nur sehr schwer sehen. Darum haben wir uns Zugriff auf Bilder von insgesamt fünf Satelliten mit besserer Auflösung gekauft, etwa vom Satelliten „Planet“.

Was kostet so ein Borkenkäfer-Einsatz, bzw. wie wird abgerechnet?

Wöls: Der Vorteil beim drohnenbasierten Monitoring liegt in der hohen ­Auflösung der Bilder (ca. 10 cm/Pixel) und der damit verbundenen Genauigkeit der Auswertung. Damit können sehr geringe Veränderungen in der ­Vitalität der Baumkrone detektiert werden. Der Preis liegt hier zur Orientierung zwischen 20 und 30 €/ha und Flug.

Mit den gröber aufgelösten ­Satellitenbildern (50 bis 80 cm/Pixel) können ­vitalitätseingeschränkte Bäume bzw. Baumgruppen auf größeren ­Flächen sehr günstig mit etwas geringerer Genauigkeit entdeckt werden. Der Preis liegt hier bei 1 bis 2 €/ha.

Leider kennen wir derzeit keine Förderungen im Forstbereich, die solche neuen Möglichkeiten gezielt unter­stützen.

Sind Waldbesitzer schon offen für ­digitale Lösungen wie Ihre?

Wöls: In Osttirol sind sehr viele Menschen unterwegs, die Wälder abgehen. Man läuft dem Borkenkäfer zu Fuß hinterher. Dafür wird auch viel Geld investiert. Wir könnten das Monitoring von oben unterstützen. Dazu sind wir in Kontakt mit den Behörden. Mit den Bayrischen Staatsforsten oder der Waldgenossenschaft Iseltal in Osttirol haben wir schon einige Pilotprojekte umgesetzt. Aber eigentlich ist die Digitalisierung noch nicht wirklich im Forstwesen angekommen. Alle sind gefordert, das Potenzial der Digitalisierung im Forstwesen zu nutzen.

Was muss sich tun, damit die Technik noch mehr genutzt wird?

Wöls: Ein großflächiges Monitoring wird immer wichtiger werden. Man kann nicht davon ausgehen, dass es eine Flotte von Förstern und Försterinnen gibt, die an jedem Baum vorbeikommt. Wir wollen die Forstleute nicht ersetzen. Wir wollen helfen, den Borkenkäferbefall zu erkennen, damit Waldbesitzerinnen und -besitzer da-rauf reagieren können. Dazu muss es für den Förster so leicht wie möglich sein, im Wald auf die Daten zuzugreifen. Aktuell arbeiten wir an den Fragen: Wie finde ich den Baum tatsächlich? Wie aktuell sind die Daten? Bin ich im Wald eigentlich in der Cloud verbunden? Kann ich die App auch sprachlich steuern, wenn ich nicht beide Hände frei habe?

Muss man Angst haben, dass die künstliche Intelligenz auch andere ­Daten auswertet, wie etwa Häuser und Menschen?

Steiner: Nein. Festmeter verwendet eine vertrauenswürdige KI. Wir ­bilden Flächen von oben ab und konzentrieren uns dabei ausschließlich auf den Wald. Aber theoretisch könnte unsere KI auch andere Dinge auf den Bildern finden, wie etwa Häuser, Fahrzeuge oder Menschen. Daher bilden wir eine sogenannte „Area of Interest“ um die Waldflächen. Das bedeutet, ­unsere KI sieht sich keine Flächen an, die nicht Wald sind. Dadurch schließen wir aus, dass sie lernt, z. B. Menschen zu erkennen.

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