Mit einer Rechtsschutzpolizze reduzieren Sie das finanzielle Risiko bei Rechtsstreitigkeiten. top agrar-Versicherungsexperte Franz Stephan Innerhuber sagt Ihnen, wann und für wasein Landwirt solch eine Polizze braucht.
Jährlich werden rund 3,5 Mio. Rechtsfälle vor Österreichs Gerichten verhandelt. Gut 40% aller Österreicher sind mit einem Rechtsstreit konfrontiert. Fragt sich, ob auch Landwirte eine Rechtsschutzpolizze abschließen sollten. Denn auch sie treffen nicht selten Streitigkeiten nach Verkehrsunfällen, aus Kaufverträgen, bei Strafanzeigen nach Unfällen oder bei Problemen rund um ihre Grundstücke.
Natürlich können diese Auseinandersetzungen auch ohne Rechtsschutzversicherung bestreiten. Die Frage ist nur, ob sich ein Landwirt einen derartigen Prozess finanziell leisten kann und will.
Polizze minimiert Risiko
Nehmen wir einen Fall aus der Praxis: Landwirt Hans Sorglos hat einen sehr großen Schaden (jenseits von 500000€) durch einen Brand erlitten. Es lag keine grobe Fahrlässigkeit des Bauern vor. Dennoch trudelte nach erfolgter Schadensschätzung durch die Versicherung die Ablehnung des Schadensausgleichs ein. Begründung: Verstoß gegen die Versicherungsbedingungen. Dem Landwirt bleiben nur folgende zwei Möglichkeiten:
- den Schaden selbst tragen oder
- den Schaden vom eigenen Versicherer einklagen.
Solch einen hohen Schaden selber schlucken zu müssen, ist existenzgefährdend. Allerdings kann auch eine Klage existenzgefährdend sein, da man im Falle eines negativen Ausganges mit Kosten bis zu 200000 € an Prozesskosten rechnen muss.
Die Praxis zeigt, dass Fälle, wo eine Deckungsklage gegen den eigenen Versicherer eingereicht werden muss, gar nicht so selten vorkommen.
Das Deckt Der Rechtsschutz
Bei einem versicherten Schadensfall werden von einer Versicherung grundsätzlich sämtliche Kosten übernommen, welche mit dem Schadensfall entstehen. Darunter fallen: Anwalts- und Gerichtskosten, Kosten für Sachverständige und Gutachter, teilweise die Kosten der Gegenseite, etc.
Bei der Anzahl der Schadensfälle pro Jahr gibt es theoretisch keine Einschränkung, außer im Beratungs- Rechtsschutz. Letzterer ist meist begrenzt mit einer Beratung pro Monat.
Von der Rechtsschutzversicherung werden zumeist auch die Kosten bis zur Letztinstanz übernommen. Eine wirkliche Einschränkung, die nächste(n) Berufungsinstanz(en) anzurufen, liegt zumeist aber in der vertraglich fixierten Versicherungssumme. Diese legt die maximalen Gesamtkostenübernahme eines Streitfalles fest. Manche Versicherer arbeiten aber auch mit Streitwertgrenzen. Der Streitwert ist in Gerichtsprozessen monetärer Ausdruck des Streitgegenstandes. Er ist in vielen Fällen vom Gesetz her vorgegeben.
Welche Versicherungssumme?
Bedauerlicherweise gibt es immer noch Versicherungsgesellschaften, die Versicherungssummen von 50000€ bis 100000 € anbieten. Dies bedeutet, dass anfallende Kosten (Anwalt, Gericht, Sachverständige, etc.) eben nur bis zu diesen Beträgen übernommen werden. In der Praxis stellt sich bei komplexen Prozessen immer wieder heraus, dass Kosten weit über 100000 € keine wirkliche Seltenheit sind. Darum ist auf jeden Fall darauf zu achten, Versicherungssummen eher ab 200000 € aufwärts zu wählen.
Achtung: Es gibt auch Versicherungsgesellschaften, die auf der Polizze eine Versicherungssumme von zum Beispiel 70000 € angeführt haben und im Text angeben, dass im Schadenfall die dreifache Summe zur Verfügung stünde. Dies klingt gut, hat aber den Haken, dass diese Versicherungssumme meist nur in ganz wenigen Rechtsgebieten bzw. Versicherungsfällen zur Verfügung steht. Bei den meisten Streitigkeiten steht aber nur eine Grundsumme von 70000 € zur Verfügung. Sehr häufig werden bei Vertragsverhältnissen mit Geschäftspartnern die ausgehandelten Leistungen nicht erbracht. Auch das Thema Handschlagsqualität geht offensichtlich immer mehr verloren. Daher ist auch dieser Punkt sehr wichtig und sollte auf jeden Fall mitversichert sein.
Hier ist auf jeden Fall darauf zu achten, dass es keine Grenzen für Streitigkeiten gibt. Nehmen wir als Beispiel einen Maschinenkauf von 100000 €, bei dem es zu einem Problem kommt. Haben Sie in dem Rechtsschutzvertrag eine Streitwertgrenze von 50000 € vereinbart, hätten sie hier keine Deckung. Eine gute Rechtsschutzversicherung hat für allgemeine Vertragsstreitigkeiten an sich überhaupt keine Grenzen. Ansonsten: Nachverhandeln!
Baustreitigkeiten
Bei den meisten Rechtsschutzpolizzen sind Streitigkeiten rund um Baulichkeiten (Neubauten) grundsätzlich ausgeschlossen. Aber auch hier gibt es die Möglichkeit, bei guten Rechtsschutzversicherungsverträgen diese Streitigkeiten wieder miteinzuschließen. Gerne ist dabei auch ein profunder Versicherungsmakler behilflich.
Versicherungsstreitigkeiten
Sehr viele Versicherer schließen Versicherungsstreitigkeiten generell aus oder bieten dafür nur geringe Versicherungssummen. Dadurch können Prozesse praktisch nicht mehr geführt werden. Achten Sie daher unbedingt darauf, dass dieser Punkt ohne Streitwerthöhe mitversichert ist.
Zudem ist es absolut empfehlenswert, die Rechtsschutzversicherung nicht vom gleichen Anbieter zu haben, wie das Landwirtschaftsbündel selbst. Denn bei einer Klage gegen die eigene Versicherung steigen sehr viele Gesellschaften generell aus der Deckung aus.
Meistens lebt auf einem landwirtschaftlichen Betrieb nicht nur der Betriebsführer sondern auch die “Altbauern“, welche bereits den Betrieb übergeben haben und in Pension sind. Hier ist darauf zu achten, dass diese Personen sowohl im Privatbereich als auch im Kfz- Bereich als mitversichert gelten.
Zudem ist auf jeden Fall darauf zu achten, dass alle Personen, welche im gemeinsamen Haushalt des Polizzenhalters leben und noch kein eigenes Einkommen haben, als mitversichert gelten. Der Lebens- oder Ehepartner ist in der Regel immer mitversichert.
Bei einem guten Rechtsschutzversicherer kann man auch den zukünftigen Hofübernehmer mit Familie zu einer sehr günstigen Prämie mitversichern.
Die meisten Rechtsschutzanbieter haben eigene Listen mit Partneranwälten, welche bei Inanspruchnahme direkt von der Versicherung bezahlt werden.
Trotzdem sollte aber darauf geachtet werden, dass man generell freie Anwaltswahl hat. Somit sind die Partneranwälte der Versicherung als Empfehlung zu sehen, nicht aber als Muss.
Achtung: Auch wenn man freie Anwaltswahl hat, gilt dies bei manchen Bausteinen – z.B. beim Beratungsrechtsschutz – nicht. Die meisten Versicherer arbeiten zudem mit Honorarobergrenzen für anwaltliche Leistungen. Daher unbedingt vorab mit dem Rechtsanwalt die Honorarfrage abklären.
Unterschiedlich hohe Prämien
Die Prämien- und Leistungsunterschiede sind bei Rechtsschutzversicherungen sehr eklatant. Prämienunterschiede bis zum Doppelten sind keine Seltenheit. Daher ist es sehr wichtig, hier die nötigen Vergleiche, nämlich Deckung und Prämie, anzustellen.
Zum Beispiel kann ein Betrieb mit 30ha Grundfläche einen tollen Versicherungsschutz mit vielen derzeit möglichen Punkten und einer ordentlichen Versicherungssumme um Euro 290 € abschließen. Gleichzeitig ist aber auch ein schlechterer Versicherungsschutz mit niedriger Versicherungssumme um 600 € zu bekommen.
Polizze maßschneidern!
Generell ist zu beachten, dass ein Rechtsschutz-Produkt immer aus sehr vielen einzelnen Bausteinen besteht. Daher kann man im Prinzip bei jedem Anbieter einen günstigen und einen teuren Versicherungsschutz bekommen. Was dann wirklich inkludiert ist, ist leider oft erst auf den zweiten Blick erkennbar. Daher sich unbedingt bei der Auswahl der Bausteine Zeit lassen. Manche Bausteine sind fix, andere fakultativ. Wichtige Bausteine sind z.B.
- Schadenersatz-/Strafrechtsschutz (inklusive Vorsatzdelikte)
- Fahrzeugrechtsschutz
- Grundstücks- und Hauseigentum
- Erb-/Familienrecht
- Beratungsrechtsschutz
- Steuerrecht und Sozialversicherung
- Streitigkeiten bei EU-Förderungen (z.B. bei Problemen mit der AMA).
Wichtig für Landwirte – und nicht nur für Direktvermarkter – ist auch, dass die Kosten für allfällige Gegenprobenziehungen gedeckt sind.
Viele Deckungsbausteine werden von den Versicherungsanstalten nicht oder nur eingeschränkt angeboten. Sehr oft wird dabei argumentiert, dass man gewisse Punkte gar nicht versichern könne. Dies ist zwar grundsätzlich richtig, allerdings lässt die allgemeine Vertragsfreiheit weitaus mehr an Gestaltungsmöglichkeiten zu, als die Anbieter dies oft zugegeben. Daher lohnt ein Nachverhandeln zum angebotenen Vertragstext fast immer.
Noch ein Tipp zum Schluss: Auf land- und forstwirtschaflichen Betrieben gibt es laufend Änderungen. Daher sollten Sie nicht auf die regelmäßige Polizzenwartung vergessen. Denn wenn ein Schaden eintritt, zahlt die Versicherung – wenn überhaupt – nur mehr anteilsmäßig. Sie müssten dann wieder selber die Kosten tragen. Und das wollten Sie mit der Polizze ja verhindern.
spanring@topagrar.at