Unser Bericht über den Tiroler Landwirt Franz Gapp hat hohe Wellen geschlagen. Jetzt haben sich auch hochrangige Politiker und Interessensvertreter eingeschaltet. Derweil sind weitere Strafbefehle gegen den Milchbauern ergangen.
Seit Erscheinen unseres Berichts „Amtsgewalt auf Tirolerisch“ hat die betroffene Bauernfamilie Gapp in Aldrans nahe Innsbruck erneut unangenehme Post bekommen. Rund ein Dutzend neue Strafbescheide bzw. Berufungserkenntnisse wurden von der BH Innsbruck und dem Landesverwaltungsgericht Tirol gegen die Bauersleut erlassen. Überwiegend ging es dabei um den Waschvorgang am Milchviehbetrieb im Zeitraum März bis September 2016.
Besonders die Strafen wegen angeblicher Lärmbelästigung durch die Melkanlagenspülung verwundern. Laut Gutachten im parallel laufenden Zivilverfahren stimmen zudem die Angaben in den Anzeigen mit den tatsächlichen Vor-Ort-Verhältnissen nicht überein.
Befunde vom Schreibtisch aus:
Unab-hängig vom Umstand, dass die Landesverwaltung bei den Erstbescheiden bis zu drei Jahre Bearbeitungszeit benötigt, kommt nun ein weiterer Kritikpunkt zum Tragen. So gab es laut den Gapps bei keinem der neuen Fälle behördliche Erhebungen vor Ort. Sämtliche behauptete und angezeigte Sachverhalte würden „vom Schreibtisch aus befundet“.
So gab es keine Befragungen der Beschuldigten und sonstiger Beteiligter (Landwirt, Lohnunternehmer, Tierarzt etc.). Ganz im Gegenteil. „Die Beamten nehmen die Aussagen in den Anzeigen für bare Münze“, empört sich Milchbauer Franz Gapp gegenüber top agrar. „Dabei müssten sich Behörden und Ämter doch an die Offizialmaxime halten“, schäumt Gapp. Will heißen: Den tatsächlichen Sachverhalt erkunden und darlegen. Das Vorbringen einer Partei darf demnach auch nicht ohne weiteres als wahr angenommen werden.
Ob das vorgelegte „Beweismaterial“ gegen die Gapps von den Behörden überhaupt als Grundlage für allfällige Verwaltungsstrafen verwendet werden darf, ist strittig. Das im Zivilverfahren vom Landesgericht Innsbruck beauftragte Lärmgutachten eines Gerichtssachverständigen spricht eine deutliche Sprache. Demnach sind die gegen die Gapps vorliegenden Dokumentationen nicht verwertbar, weil ungeeignet. Zudem kommt der Gerichtsgutachter zum Schluss, dass der Betrieb Gapp mit seinen Emissionen als ortsüblich zu bezeichnen ist.
„Hätte das Land die wahren Sachverhalte bei uns am Hof recherchiert, hätten die meisten, wenn nicht sogar alle Anzeigen eingestellt werden müssen“, so der verärgerte Milchbauer.
Skandal um Widmung:
Doch der Lärm- sachverständige im 100 000 €-Zivilverfahren deckt noch ein weiteres Problem des Landes Tirol auf. So weist dieser darauf hin, dass für die bei Gapp vorliegende Widmung „Sonderfläche landwirtschaftliche Hofstelle“ – wovon es alleine in Aldrans insgesamt 19 gibt – gar keine Immissionswerte für Lärm im Tiroler Raumordnungsgesetz definiert sind. Im Gegensatz dazu liege das unmittelbar angrenzende Grundstück der Beschwerdeführer im Wohngebiet. Wohngebiete genießen den höchsten Schutz-anspruch, aber kein einziger Tiroler Landwirt kann diese Werte einhalten.
Hoher Handlungsbedarf:
Hoheitliche Widmungsfehler, die es auch in anderen Bundesländern in großer Zahl gibt, müssten Politik und Verwaltung wachrütteln. Es geht nicht nur um einen einzelnen Betrieb, sondern um die Landwirtschaft bundesweit und flächendeckend.
Amtssachverständige müssten laut Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetz alle Fakten auf den Tisch legen. Dies ist insofern von Belang, da die Rechtsmittelinstanzen ihre Entscheidungen auf den Stellungnahmen der Amtsgutachter aufbauen. Privatgutachten finden meist wenig bis keine Berücksichtigung.
Kein Wunder, dass einzelne Kammerjuristen sich schon fürchten, dass die Gerichte die künftige landwirtschaftliche Praxis definieren. Daher raten sie von höchstgerichtlichen Beschwerden bei agrarischen Emissionsfällen ab.
Vielleicht gibt es aber doch ein Umdenken in letzter Minute. Vom top agrar-Bericht aufgescheucht, hat sich zwischenzeitlich der Landwirtschaftssprecher der Tiroler FPÖ, Alexander Gamper, vor Ort über den Fall Gapp informiert. Auch der Tiroler Bauernbund scheint die negativen Auswirkungen des Falles in und außerhalb Tirols erkannt zu haben.
Ebenso sehen die Landwirtschaftskammern die Brisanz und mögliche Auswirkungen auf nanz Österreich.
Familie Gapp in Aldrans wertet diese Bewegungen als positiv. „Trotzdem sind bei uns noch weit über 80 Verfahren offen“, beklagt Sohn Andreas Gapp. „Und es dürfte kein Ende abzusehen sein, solange nicht diese fragwürdigen Amtsgutachten behördenseitig behoben werden“, ergänzt sein Vater Franz. „Mehrere Straferkenntnisse auf Basis unrichtiger Behördeneinschätzungen wurden sogar von einem BH-Juristen geschrieben, der heute Grüner Abgeordneter ist.“
top agrar wird über den Fall weiter berichten. Kontakt: spanring@topagrar.at