1,2 Mio. Bauern und Gewerbetreibende sind seit 1. Jänner 2020 unter einem Dach in der SVS vereint. Welche Auswirkungen das für unsere Familienbetriebe hat, dazu befragten wir Obmann Peter Lehner und seine Stellvertreterin Theresia Meier.
Mit der Fusion der SVB und SVA in der SVS sind künftig der Waldviertler Milchbauer und die Inhaberin eines Frisörgeschäftes in der gleichen Krankenkasse. Was verbindet beide?
Lehner: Für Selbständige ist es wichtig, gesund zu bleiben. Denn Selbständigkeit bedeutet Verantwortung zu haben, für sich selbst und genauso für Mitarbeiter und das betriebliche Umfeld – das verbindet gewerbliche und landwirtschaftliche Unternehmer und bildet die Klammer für unsere Arbeit.
Was ändert sich nun auf Grund der Fusion für die Bauern?
Meier: Diese Frage bekomme ich von meinen BerufskollegInnen am häufigsten gestellt: Was ändert sich für mich, muss ich mich wo anmelden? Hierzu ist ganz klar zu sagen: Nein, es ist keine separate Meldung notwendig - ehemals SVB-Versicherte sind ab 1. Jänner automatisch bei der SVS versichert. Auch bleiben die Leistungen im vollen Umfang erhalten und werden in manchen Bereichen sogar verbessert. Wir wollen das Beste aus zwei Welten zusammenführen. So gibt es für alle unsere Versicherten beispielsweise nun ein größeres Angebot an Gesundheitsmaßnahmen, das wir künftig noch erweitern wollen. Also, so gesehen ist die neue Struktur für unsere Versicherten nicht spürbar und wenn, dann durch ein größeres Angebot.
Lehner: Ja, spürbar im positiven Sinne. SVS-Kunden können durch den neuen SVS-Gesamtvertrag mit der Ärzteschaft über 300 mehr Vertragsmediziner und Gesundheitsdienstleister aufsuchen als bisher. Außerdem stehen seit 1. Jänner 2020 allen SVS-Kunden nun neun Gesundheitseinrichtungen in ganz Österreich zur Verfügung.
Das Gebarungsvolumen des neuen Versicherungsträgers beträgt 9,6 Mrd. €. Wie teilt sich dieses auf die einzelnen Versicherungsbereiche auf?
Lehner: Der Leistungsumfang im Bereich Pensionsversicherung macht ca. 6,9 Mrd. € aus, in der Krankenversicherung 2,0 Mrd. €, in der Unfallversicherung sind es 0,2 Mrd. €, wobei zuletzt genannte Summe auch das Volumen für die Unfallversicherungsleistungen für den gewerblichen Bereich beinhaltet, welche zuvor von der AUVA erbracht wurden. Dazu kommen noch 0,4 Mrd. € für Pflegegeld in der Pensionsversicherung.
Der Beitragssatz in der Krankenversicherung wurde mit 1. Jänner um 0,85% gesenkt auf 6,8%. Wie wirkt sich das in der Praxis aus?
Lehner: Genau diese Differenz bleibt den Selbständigen als Nettogewinn pro Jahr übrig. Bei einer Beitragsgrundlage von z.B. 2500 € bedeutet dies für den Versicherten eine Beitragsentlastung von ca. 250 € jährlich.
Wird es künftig für Bauern Änderungen bei den Leistungen im Bereich Pensionsversicherung oder Pflegegeld geben?
Meier: In der Diskussion um die Pflegereform ist mir wichtig, dass auch die Pflege zuhause und die Arbeit der pflegenden Angehörigen entsprechend berücksichtigt wird. Im Bereich der Pensionsversicherung streben wir beispielsweise eine Absenkung beim fiktiven Ausgedinge von 13 auf 10% des Richtsatzes für Ausgleichszulagenbezieher an. Diese Maßnahme ist auch im Regierungsübereinkommen enthalten. Daher bin ich zuversichtlich, dass diese bald gesetzlich umgesetzt wird.
Gibt es auch Änderungen im Beitragsrecht für Bauern und Bäuerinnen?
Meier: Auch hier ist es unser Ziel, etwa im Bereich der Krankenversicherung die Mindestbeitragsgrundlagen für Bauern abzusenken und damit an jene des gewerblichen SV-Rechts anzugleichen. Und dies sowohl im pauschalen Beitragssystem, als auch bei einer Beitragsgrundlagen-Option. Ein solch weiterer Harmonisierungsschritt würde für unsere Versicherten eine wichtige Entlastung bedeuten.
Warum gibt es für Kleinbetriebe im bäuerlichen Bereich keine Regelung zur Ausnahme von der Sozialversicherungspflicht? Im gewerblichen Sozialversicherungsrecht oder im ASVG gibt es solche Regelungen.
Meier: Die Regelungen in den Gesetzen sind hier durchaus ähnlich – auch im Bauern-Sozialversicherungsgesetz kennen wir Versicherungsgrenzen, nämlich Einheitswertgrenzen. Weiters gibt es wie schon erwähnt eine Mindestbeitragsgrundlage. Von einer Herausnahme aus der Pflichtversicherung halte ich nichts. Ich kenne hier Beispiele aus Deutschland, wo aus solchen Situationen heraus eine unzureichende Absicherung im Alter resultiert. Einen Krankenversicherungsschutz mit einem Mindestbeitrag von knapp 60 €, wo auch die Angehörigen mitversichert sind, halte ich für vertretbar. Und für die Pension kommt dem Versicherten jede Beitragszahlung ja wieder zu Gute. Ich halte es auch aus agrarpolitischer Sicht für wichtig, für eine umfassende soziale Absicherung einzutreten.
Weshalb hat man bei der Neufeststellung der Einheitswerte die Abschläge in der Ungunstlage verringert und die Zuschläge für arrondierte größere Betriebe großteils abgeschafft?
Meier: Man kann nicht ein System über Jahrzehnte einzementieren. Die Aktualisierung über die Neufeststellung war notwendig, allein schon aus rechtlicher Sicht. Nur so kann das Einheitswertsystem auch in Zukunft Bestand haben. Für Betriebe mit einer mehr als 10%igen Einheitswerterhöhung durch die Hauptfeststellung ist auch eine Entlastung vorgesehen: Diese erhalten ab dem Jahr 2016 aus Steuermitteln jährlich eine Gutschrift der Sozialversicherungsbeiträge von insgesamt 15 Mio. €. Zuletzt wurden bei der Beitragsvorschreibung Anfang Jänner 2020 die Gutschriften für das Jahr 2019 berücksichtigt.
Warum haben Klimaereignisse, die in der Landwirtschaft Einkommensausfälle verursachen, in den neuen Einheitswerten keine Beachtung gefunden?
Meier: Haben sie. So ist das Thema Trockenheit in die neuen Einheitswerte eingeflossen. Zudem steht die neue Hauptfeststellung 2024 an, und hier gibt es Überlegungen, das Thema Klimawandel stärker zu berücksichtigen.
Das Gespräch führte top agrar Redakteur Torsten Altmann.