Der Vorwurf der illegalen Verwendung von Heizöl als Dieselersatz durch die Bauern geht aus einem bis dato geheim gehaltenen Schreiben vom November 2016 aus dem Finanzministerium an die Landwirtschaftskammer Oberösterreich" hervor, das der Redaktion top agrar-Österreich vorliegt. In dem Schreiben begründet eine Mitarbeiterin des Finanzministeriums im Namen von Minister Schelling, warum dieser die Wiedereinführung des von der Mineralölsteuer begünstigten Agrardiesels ablehnt.
So wurde die 2005 eingeführte Regelung eines steuerbegünstigten Agrardiesels Ende 2013 unter anderem aus Gründen der fehlenden Kontrollmöglichkeit" abgeschafft. Denn fast alle Land- und Forstwirte hätten die Vergütung nach einer pauschalen Berechnung beansprucht, ohne dass ein Nachweis über die tatsächliche Verwendung des Diesels gefordert gewesen wäre, ist in dem Schreiben zu lesen.
Daher, so die weitere Argumentationskette darin, sei die Mineralölsteuer unbestritten teilweise gar nicht entrichtet worden". Dies hätten die Bauern z.B. durch treibstoffsparende Bewirtschaftung oder der Verwendung von Biodiesel oder der illegalen Verwendung von Heizöl" erreicht, was dem Grundsatz der Steuergerechtigkeit diametral widerspreche. Darüber hinaus führe eine derartig einseitige Begünstigung der Land- und Forstwirtschaft zur Forderung anderer Branchen nach einer analogen Regelung, wie beispielsweise nach einem steuerbegünstigten 'Wirtschaftsdiesel'“, wird in dem Dokument erklärt. Beweise für den diesen Betrugsvorwurf sind im Schreiben des Finanzministers nicht enthalten.
Mit dem nun öffentlich gewordenen Dokument antwortet Schelling auf ein Schreiben der Landwirtschaftskammer Oberösterreich betreffend „Rückläufige Bauerneinkommen erfordern wirksame Entlastungsschritte“ und „Entlastung der Nebenerwerbslandwirte“, das die LK OÖ nach ihrer Vollversammlung vom 28. September 2016 an den Finanzminister geschickt hatte.
Steinbichler: Schelling hat sprichwörtlich ein neues Bauernopfer gefunden"
"Entsprechen die Ausnahmen bei der Mineralölsteuer für den Flug- und für den Schiffverkehr dem Grundsatz der Steuergerechtigkeit?" fragt sich Team Stronach-Mandatar Leo Steinbichler.
„Zuerst stellte er die fleißigen Gastronomen und Gastwirte mit der Registrierkassenpflicht unter Generalverdacht der Steuerhinterziehung – erfolglos, denn die Registrierkassen bringen nur einen Bruchteil der erhofften Millionen. Jetzt hat Schelling scheinbar ein neues, sprichwörtliches 'Bauernopfer' für seine Verdächtigungen gefunden“, so Steinbichler, der eine diesbezügliche parlamentarische Anfrage ankündigt.
Dennoch könne der Team Stronach-Abgeordnete dieser unerhörten" Aussage des Finanzministers schon wieder etwas „Positives“ abgewinnen. „Vielleicht möchte der Finanzminister die Möglichkeit zur Verwendung von Heizöl doch legalisieren, um so die Wettbewerbsfähigkeit mit unseren europäischen Nachbarn herzustellen?“, fragt Steinbichler. Dessen drei Entschließungsanträge auf Wiedereinführung einer Mineralölsteuerentlastung für Agrardiesel, welche immerhin in 25 von 28 EU-Ländern bezahlt werde, seien sowohl von den Mandataren der Regierungsparteien, als auch den Bauerbundabgeordneten abgelehnt worden.
"Dass ein Bundesminister, also ein Mitglied der österreichischen Bundesregierung, die Bauern und damit einen ganzen Berufsstand derart pauschal verunglimpft, hat eine ähnliche 'Qualität' wie die Bauernregeln-Kampagne* der deutschen Umweltministerin Barbara Hendricks, empört sich ein kritischer Landwirt, der anonym bleiben will und weiter einräumt: Wiewohl es vermutlich leider nach wie vor wenige schwarze Schafe gibt, die diese Praktik tatsächlich anwenden und so ihre Kollegen in Misskredit bringen".
*(Die Berichterstattung zu der Bauernregeln-Kampagne und den Reaktionen darauf finden Sie hier).