In einem Zeitungsinterview kündigte der Obmann der Sozialversicherungsanstalt der Selbständigen (SVS), Peter Lehner, an, Mahnschreiben an die Versicherten mit aufrechten Stundungsvereinbarungen zu verschicken. Man wolle individuelle Lösungen für ausstehende Zahlungen finden. Dabei gehe es vor allem um jene Beträge, die schon vor Ausbruch der Corona-Pandemie fällig gewesen wären. Im März 2020 hatte die SVS ja Zahlungserleichterungen wegen Corona angekündigt.
Aufschrei der Wirtschaft, stumme Landwirtschaft
Für die bei der SVS pflichtversicherten Nicht-Landwirte sprang sofort Neos-Wirtschaftssprecher und Abg.z.NR Sepp Schellhorn in die Bresche und forderte angesichts der prekären Lage vieler Betriebe einen sofortigen Mahnungsstopp ein. „Es ist unfassbar, dass gerade in einer Phase, wo nicht einmal klar ist, was nächste Woche kommt oder nicht kommt, die Sozialversicherungsbeiträge vorzeitig eingetrieben werden sollen“, schäumte Schellhorn. Es brauche viel mehr ein „funktionierendes Gesamtkonzept“, wie Unternehmen den wegen Corona angehäuften Schuldenrucksack abbauen können. Der Salzburger Hotelier verwies auch auf die hohen Rücklagen der SVS, die er mit rund 700 Mio. € beziffert.
Auch Sabine Jungwirth, Bundessprecherin der Grünen Wirtschaft, zeigte sich „entsetzt und empört“ über die Aussagen von Lehner. „Das strotzt vor Empathielosigkeit und Arroganz gegenüber den Versicherten seiner eigenen SV-Anstalt.“
Da es bei der SVS weiterhin zwei Regelkreise – einerseits die gewerblichen Wirtschaftsunternehme rund Selbstständigen, andererseits die Land- und Forstwirte – gibt, überrascht es, dass sich für die bäuerlichen SVS-Versicherten niemand aus der Deckung wagte, nachfragte oder das SVS-Ansinnen einer enstprechenden Prüfung unterzog.
Die SVS antwortet auf top agrar-Fragen
Dafür hat top agrar Österreich bei der SVS nachgefragt. Übermittelt wurden die Antworten dann in zwei Tranchen vom SVS Newsroom/GBSI - Kundeninteraktion. Einen Pressesprecher gibt es nicht mehr. Auch wird jeder Anruf (selbst bei bekannter Durchwahlklappe) durch das als Filter eingebaute Callcenter – inklusive langer Wartezeiten – geschleust. Begründet wird dies mit dem nötigen Qualitätsmanagement.
Nachfolgend die top agrar-Fragen und die SVS-Antworten:
Wie schaut die angekündigte Einforderung gestundeter Sozialversicherungsbeiträge nun konkret aus?
SVS: Mitte Februar 2021 werden bäuerliche Versicherte mittels Informationsschreiben über ihre aktuellen Zahlungsrückstände informiert. Für jeden, der seine Beiträge in dieser Form zur Zeit nicht leisten kann, wird ein individueller Plan – zugeschnitten auf die aktuellen Möglichkeiten und Perspektiven – erarbeitet. Die SVS stellt damit von einer Pauschallösung auf individuelle Unterstützung ihrer Versicherten um.
Die SVS versteht sich als Partner in der Krise, trägt Verantwortung gegenüber jedem einzelnen Versicherten, gewährleistet deren soziale Sicherheit und trägt ebenso die Verantwortung gegenüber der gesamten Versichertengemeinschaft. Ausständige Zahlungen können nicht erlassen werden. Zum einen sind dies pensionswirksame Beiträge. Diese nicht einzuzahlen hätte nachhaltige Folgen auf Pensionshöhe und Antrittszeitpunkt. Wir würden damit eine Altersarmut schaffen – und diese Folgen wären in 20 Jahren noch zu spüren. Zum anderen wäre es kein Fairplay gegenüber jenen, die ihre Beiträge bezahlt haben.
Das Informationsschreiben über die Zahlungsrückstände der bäuerlichen Versicherten ist als „Reminder“ zu sehen.
Um wie viele Landwirte mit gewährtem Zahlungsaufschub/Stundung handelt es sich insgesamt? Bekommen alle einen „Reminder“?
SVS: Die Zahlungserinnerung wird Mitte Februar 2021 versendet und die hierfür notwendige Auswertung technisch zu diesem Zeitpunkt erstellt. Das Erinnerungsschreiben werden jene Kunden erhalten, welche ihre zuletzt vorgeschriebenen offenen Beiträge nach dem Bauern-Sozialversicherungsgesetz nicht bis Mitte Februar einzahlen. Wir bitten daher um Verständnis, dass wir die genaue Anzahl zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch nicht zur Hand haben.
Wie viele Betreibungen (Klagen, Pfändungen/Versteigerungen u.Ä.) gibt es seitens der SVS aktuell bei den bäuerlichen Beitragsschuldnern?
SVS: Da das Mahnwesen für 2020 generell ausgesetzt war, gibt es zum jetzigen Zeitpunkt – mit einigen wenigen Ausnahmen, die sich aber allesamt auf Anlassfälle beginnend vor der Corona-Krise beziehen – gar keine Eintreibungsmaßnahmen.
Wie viele Drittschuldner-Erklärungen zugunsten der SVS sind aktuell – vor allem bei der AMA – anhängig?
SVS: Aktuell sind keine von der SVS beantragten Forderungsexekutionen betreffend AMA-Förderungen anhängig.
Über bereits abgeschlossene Fälle oder wenige bereits vor 2020 eingeleitete Exekutionsverfahren, die weder im Zusammenhang mit der AMA noch mit der aktuellen Corona-Krise stehen, liegt uns kein Zahlenmaterial vor.