Warum wurde ein Corona-Hilfspaket geschnürt, das am Ende nur wenigen Bauern nützt, wenn eine Steuerentlastung allen helfen würde? Etwa die Senkung der Umsatzsteuer auf 10 %.
Köstinger: Wir haben die größte Steuerentlastung seit Jahrzehnten für die Bauern gemacht. Jeder einzelne Betrieb wird davon profitieren, speziell im Sozialversicherungsbereich. Das war ja eine ganz große Forderung seit vielen Jahren. Insgesamt hat das Entlastungspaket ein Volumen von 120 Mio. € pro Jahr. Damit ist es nicht eine einmalige Entlastung, sondern es bleibt langfristig bestehen. Das ist auch der Unterschied etwa zur Gastronomie und zum Tourismus, wo die Steuerentlastung bis Ende des Jahres beschränkt ist.
Die Gewinnglättung kann manchen Landwirten helfen, schlechte Ernten steuerlich besser abzufedern. Die Sozialversicherungskosten für zumindest ein Quartal wurden nicht übernommen. Warum eigentlich nicht?
Köstinger: Weil eine langfristige Entlastung den Bauern mehr hilft als eine einmalige Entlastung für ein Quartal. Die beschlossene Entlastung ist in Summe ein Vielfaches dieser geforderten Quartalsentlastung.
Laut Grünem Bericht 2019 haben die Buchführungsbetriebe im Schnitt 28 000 € pro Jahr verdient. Runtergerechnet auf eine Arbeitskraft bleiben gar nur 19 000 € übrig. Abzüglich der Sozialversicherung bleibt ein Monatslohn von deutlich unter 1 000 €. Wie wollen Sie angesichts dieser Eckzahlen Landwirte motivieren, in der Produktion zu bleiben?
Köstinger: Wir haben jetzt massiv entlastet. Ich bin auch überzeugt davon, dass wir dringend eine Herkunftskennzeichnung brauchen. Da ist speziell der Gesundheitsminister gefordert. Ich erwarte mir, dass jetzt im Herbst auch Vorschläge von ihm kommen, wie diese ausschauen kann. Wir brauchen regionale und saisonale Beschaffung, vor allem auch in den ganzen öffentlichen Einrichtungen. Es geht nicht, dass die öffentliche Hand nach wie vor zum Billigstbieterprinzip einkauft. Bei der letzten Agrarreferentenkonferenz haben wir mit der Bundesbeschaffungsgesellschaft die Weichen gestellt. Letztlich muss sich das auf die Produktpreise der Bauern positiv auswirken.
Was halten Sie von Mindestpreisen für landwirtschaftliche Produkte?
Köstinger: Wir sind seit 1995 in der EU und unterliegen den unionsrechtlichen Grundlagenverordnungen, etwa dem sehr strengen Wettbewerbsrecht. Ich bin überzeugt, dass die verpflichtende Herkunftskennzeichnung eine bessere und konkretere Auslobung in den nächsten Jahrzehnten ein massiver Wettbewerbsvorteil sein wird.
Nicht nur die Ackerbauern befürchten, dass das von der EU geforderte Greening ab 2022 den Todesstoß für das ÖPUL-Programm bedeuten könnte. Werden Sie das verhindern?
Köstinger: Ja, weil unsere Architektur der gemeinsamen Agrarpolitik vor allem auf ein Anreizsystem gebaut hat. Die Bauern haben verstanden, warum es wichtig ist, die Maßnahmen zu machen und haben dafür eben auch eine finanzielle Abgeltung bekommen. Das Öko-Schema und die von der Kommission vorgeschlagenen GAP-Pläne stellen uns vor große Herausforderungen. Aber wir sind sehr motiviert, da intensiver auf EU-Ebene zu verhandeln.
„Österreich ohne Zuckerrübenanbau ist denkunmöglich“
Was halten Sie von der Forderung, den Zuckerrübenanbau in der GAP steuerlich mehr zu berücksichtigen?
Köstinger: Wir schauen uns alle Vorschläge genau an und sind absolut willens, den Rübenanbau im Land zu halten. Ein Österreich ohne Zuckerrübenanbau ist für mich denkunmöglich. Wir wollen ja auch nicht von Zuckerimporten abhängig werden. Es braucht daher einerseits Rechtssicherheit für unsere Rübenbauern im Hinblick auf den Pflanzenschutz. Andererseits überlegen wir auch, welche weiteren Stützungsmaßnahmen wir für die Bauern in diesem Bereich setzen können.
Seit Monaten stalkt Sie der VGT regelrecht. Wie gehen Sie damit um?
Köstinger: Die zum Teil haarsträubenden und an die Grenze des Kriminellen kommenden Methoden des VGT sind in der österreichischen Landwirtschaft seit Jahren, wenn nicht Jahrzehnten, bekannt. Ich finde es auch sehr bedenklich, dass sich die Bauern immer wieder deren ungerechtfertigter und unsachlichen Kritik aussetzen müssen. Österreich liegt im internationalen Tierwohl Ranking von „World Animal Protection“ am ersten Platz, das heißt, dass wir zu den Ländern mit den höchsten Tierwohl-Standards zählen. Im Regierungsprogramm haben wir vereinbart, dass wir den Tierschutz in Österreich marktkonform weiterentwickeln. Aber da braucht es vor allem auch europaweit dann eine Veränderung. Wir leben in einem Binnenmarkt und sehen, dass Schnitzel um 2,50 € konsumiert wird – und dann wird für mehr Tierschutz protestiert. Das passt halt so gar nicht zusammen.
„Problemwölfe müssen entnommen werden können“
Beim Tierschutz kommt man sehr schnell zur Wolfsfrage. Wie verfolgen Sie diese Problematik?
Köstinger: Für den Wolf sind viele, die weit weg vom Wolf wohnen. Denen fehlt die persönliche Betroffenheit. Ich habe kein Verständnis dafür, dass die Bauern durch diese Raubtiere ihrer Existenz beraubt werden. Problemwölfe müssen entnommen werden können!
Der Konsument fordert mehr Tierwohl, ist aber nicht bereit, für das Fleisch dann auch mehr zu bezahlen. Werden die Tierwohlprämien erhöht bzw. in Zukunft ausgeweitet werden?
Köstinger: Wir verfolgen schon seit mehreren Jahren die Strategie, den Absatz im Inland stärker zu forcieren. Etwa mit den vielen Regionalitätsinitiativen oder auch dem neuen AMA-Genussregion-Gütesiegel, wo wir speziell auch auf die Gastronomie fokussieren. Beim Kalbfleisch kommt nur rund 30 % des Absatzes aus der Inlandsproduktion, der Rest wird importiert. Das Problem ist, dass der Konsument weißes Fleisch am Teller will, das wir so, vor allem mit Vollmilchtränke, nicht produzieren können.
Naturnutzer verlieren immer mehr den Respekt vor bäuerlichem Besitz. Wie kann hier entgegengewirkt werden?
Köstinger: Es ist ein riesengroßes Problem, wenn der Respekt vor dem Weidevieh, aber vor der Natur generell einfach nicht vorhanden ist. Der Umgang mit dem Weidevieh und die Unfälle, die zum Teil auch mit Weidevieh passieren, sind das eine. Aber die Müllproblematik, auch die Mountainbiker, die manchmal sehr rücksichtslos sind, sind das andere. Ich habe größtes Verständnis für den Unmut der Bauern. Einige haben ja auch ihre Almwege und Wanderwege gesperrt. Ich habe das für ein sehr wichtiges Zeichen gehalten. Das hat auch medial für sehr viel Aufmerksamkeit gesorgt. Gegipfelt hat alles in der Tiktok-Challenge, wo bewusst Alm- und Weidevieh erschreckt wurde. Da sehe ich auch den Tatbestand des Tierquälens erfüllt.
Gibt es für die bäuerlichen Tierhalter nun ausreichend Rechtssicherheit?
Köstinger: Durch die Gesetzesänderung haben wir die Beweislastumkehr erwirkt. Früher musste der Almbauer nachweisen, dass er alles richtig gemacht hat. Jetzt muss der verunfallte Besucher nachweisen, dass er sich an die Almregeln gehalten hat. Und das ist rechtlich eine komplette Veränderung, wenn es zu einem Zwischenfall kommt.
Ein großes Thema sind auch die Tiertransporte über die EU hinaus, oder?
Köstinger: Zuchtvieh- und Schlachttiertransporte sind zwei Paar Schuhe. Ich bin immer wieder auf‘s Neue beeindruckt, wie sehr die ZAR, eben Obmann Stefan Lindner und sein Team, versuchen, die Situation zu verbessern. Es gibt meiner Meinung nach keine andere Branche, die so bedacht auf Transparenz ist. Mittels Videodokumentationen und Fahrtenschreiber konnte auch jeder einzelne Vorwurf, den es von Tierschützern gab, widerlegt werden. Zudem exportieren wir auch schon seit Jahren kein Mastvieh mehr in Drittstaaten. Die Lösung liegt hier in einem europaweiten Exportverbot von Lebend-Schlachttieren. Österreich macht das bereits.
Wie gehen Sie mit der neuen agrarischen NGO „Landwirtschaft verbindet Österreich“ um?
Köstinger: Ich habe schon Gespräche mit dem LvÖ geführt. Manche ihrer Forderungen haben wir übererfüllt, wie etwa die Quartalsstundung der SVS-Beiträge durch die bleibende jährliche 120 Mio. €-Steuerentlastung.
„Es ist einfach verlogen, mit Österreich zu werben und Butter um 99 Cent anzubieten“
Wie wollen Sie dafür sorgen, dass die gesamte Wertschöpfungskette die nun startende Kampagne „Das isst Österreich“ lebt und unterstützt?
Köstinger: Lippenbekenntnisse gibt es tatsächlich viele, vor allem von Seiten des Lebensmittelhandels. Der wird nicht müde zu betonen, wie sehr er auf die heimischen Bauern schaut. Ich erwarte mir, dass sich das endlich auch im Produktpreis niederschlägt. Die zum Teil wirklich unmoralischen Preisschlachten am Rücken der Bauern sind absolut inakzeptabel. Es ist einfach verlogen, mit Österreich zu werben und Butter um 99 Cent in einer beispiellosen Rabattschlacht anzubieten.
Das Interview führten Torsten Altmann und Leopold Th. Spanring