PRO - Christian Pichler, WWF Österreich
Die Wölfe sind zurückgekommen, um zu bleiben! Deshalb braucht es tragfähige Lösungen zur Konfliktreduzierung. Der Land- und Almwirtschaft ist mit einer Unterstützung bei der Behirtung und weiteren Herdenschutzmaßnahmen wesentlich besser geholfen, als mit ständigen Forderungen nach Wolfsabschüssen oder der Absenkung des europaweiten Schutzstatus. Davon ist der WWF überzeugt.
Eine gezielte Bejagung hat sich in Studien als kontraproduktiv herausgestellt, weil bei einem Fokus auf Abschüsse der Herdenschutz vernachlässigt wird. Die Wolfspopulation reguliert sich selbst. Ein Rudel besetzt sein Gebiet und hält durchziehende Einzelwölfe von seinem Territorium fern. Abschüsse greifen in die soziale Struktur der Wolfsfamilien ein. Die Wölfe ändern ihr Jagdverhalten, jagen einzeln und weichen aufgrund fehlender Erfahrung auf leichter zu erbeutende Tiere, wie ungeschützte Schafe, aus.
Auch vom rechtlich geforderten günstigen Erhaltungszustand der Wölfe ist Österreich noch weit entfernt. Die Anzahl der Wölfe wird in Zukunft weiter steigen. Die ökologischen Bedingungen für Wölfe sind hier sehr gut. Fast alle heimischen Lebensräume sind noch frei von Rudeln. Außerdem hat Österreich die höchste Schalenwilddichte Europas und damit viele Beutetiere.
Die österreichischen Bäuerinnen und Bauern brauchen Unterstützung im Aufbau von Herdenschutzmaßnahmen, um ihre Nutztiere vor Übergriffen schützen zu können. Denn im Gegensatz zu anderen europäischen Ländern haben wir verlernt, mit Wölfen zu leben. Andere EU-Länder beweisen, dass Nutztierhaltung sehr wohl auch in Wolfsgebieten möglich ist. Im Trentino und der Schweiz hat die steigende Anwesenheit von Wölfen nicht dazu geführt, dass weniger Schafe auf den Almen stehen – im Trentino hat sich die Zahl der gehaltenen Schafe in den letzten 20 Jahren sogar verdoppelt. Voraussetzung war und ist konsequenter Herdenschutz.
Einen effizienten Herdenschutz leisten Schutzhunde und elektrifizierte Zäune. Auf Almen ist es notwendig, dass zusätzlich Hirten und ihre Hütehunde in Kombination mit Herdenschutzhunden die Herde betreuen und nachts in einen kleinräumig gezäunten Pferch treiben. Die mit Hunden zu schützenden Nutztierherden sollten möglichst kompakt und homogen sein. Anpassungen in der Bewirtschaftungsweise oder Herdenzusammenlegungen sind daher oft unumgänglich.
Der Wolf ist nur ein Faktor, der auf die Almwirtschaft wirkt. Die Anzahl der Almen geht bereits seit den 1950er-Jahren zurück. Die Hauptgründe sind strukturelle Veränderungen im Viehbestand, der große Auftriebsaufwand kombiniert mit der steigenden Möglichkeit, Flächen im Tal zu pachten.
KONTRA - Klaus Sommeregger, Save the Alps
Der Landwirt und damit auch die Alm- und Weidewirtschaft sollen nicht dem Wolf weichen müssen. Sonst droht unsere einzigartige Kulturlandschaft „Alm“ verloren zu gehen. Deshalb steht unser Verein „Save The Alps“ für einen wolfsfreien alpinen Raum. Diese Kulturlandschaft ist vor über 5.000 Jahren durch die Bewirtschaftung unserer Vorfahren mit Weidetieren entstanden. Sie ist mit seinen rund 4.500 Pflanzenarten, den Orchideenlebensräumen und besonderen Landschaftsformen ein Hotspot an Biodiversität und Lieferant von Lebensmitteln der höchsten Reinheit und Qualität. Wenn wir nicht bewahren, was unsere Ahnen aufgebaut, gehegt, gepflegt und verteidigt haben – was geben wir dann unseren Kindern weiter? Die Kultur und das traditionelle Wissen, aber auch die Versorgungssicherheit gehen für immer verloren.
Durch die geförderte und bewusst betriebene exponentielle Verbreitung der Großraubtierpopulationen, allen voran den Wölfen, ist unser Lebensraum, die Alpen, real bedroht. Wir sehen es als unsere Aufgabe, den Alpenraum, als jenen, wie wir ihn kennen, für alle Interessensgruppen zu erhalten. Ohne Bauern und Weidetierhaltung gibt es keine Alm, keine hochwertigen Lebensmittel, keinen Tourismus, keine Jagd, kein Wandern, kein Mountainbiken, keine Skitouren. Wir dürfen die unregulierte Ausbreitung der Wölfe nicht zulassen!
Wir von „Save The Alps“ sind mit Betroffenen und Interessensvertretungen aller Alpenländer vernetzt. In Frankreich werden pro Wolf rund 65.000 € im Jahr an Herdenschutzmaßnahmen ausgegeben! Trotzdem sind dort unter bestem Herdenschutz mehr als 12.600 Nutztierrisse zu beklagen – inklusive Rindern, Pferden und 59 Herdenschutzhunden! Die Hälfte der Schafzüchter hat bereits aufgegeben. In der Schweiz macht man gerade dieselben Erfahrungen. Daher sehen wir in Österreich den Herdenschutz – sofern dieser überhaupt möglich ist – nur als Übergangsinstrument mit begrenzter Schutzwirkung an, bis die gesetzliche Lage angepasst ist. Wir haben in Österreich mehr als 8.000 Almen mit rund 32 GVE/Alm. Somit würden wir für eine 24-Stunden-Behirtung rund 20.000 Hirten und nochmals so viele Hüte- und Hirtenhunde benötigen. Das ist weder realistisch, noch durch Eigenmittel und Förderungen finanzierbar!
Daher ist uns wichtig, dass der Politik die richtigen Fragen gestellt werden.
Zum Beispiel:
• Warum wird eine Tierart offensichtlich so sehr über das Wohl anderer Tierarten und der Artenvielfalt gestellt?
• Warum wird eine Tierart mit Millionen gefördert, die weder gefährdet noch vom Aussterben bedroht ist?
Mit aktuell rund 20.000 Wölfen in Europa ist dies keine gefährdete Tierart mehr. Dieser Tatsache muss endlich gesetzlich Rechnung getragen werden!