Photovoltaik soll in ganz Österreich weiter wachsen, so das Ziel der Regierung. Gut so. Doch dieser Ausbau muss kontrolliert, sinnvoll und effizient vorangetrieben werden. Freiflächen-Anlagen werden hierbei kontrovers diskutiert. top agrar hat sich in der Praxis umgehört.
In Niederösterreich explodieren die Energiegemeinschaften, die steirischen Photovoltaik-Auftragsbücher sind voll, Wien Energie errichtet pro Monat zwei neue Photovoltaik (PV) Freiflächen-Anlagen und im Burgenland entsteht Österreichs größter Solarpark mit 100 MW, der nächstes Jahr in Betrieb gehen soll. Diese Beispiele machen deutlich: In ganz Österreich schreitet die Energiewende voran.
Ohne Frage soll PV in ganz Österreich weiter wachsen. Doch es ist wesentlich, dass dieser Ausbau kontrolliert, sinnvoll und effizient vorangetrieben wird. Denn wie nachhaltig wäre eine enorme Steigerung der Selbstversorgung mit grünem Strom, wenn wir dadurch an regionaler Lebensmittelversorgung einbüßen müssten?
Petition gegen Freiflächen-PV
Für Martina Schmit, Zagersdorfer Biobäuerin im Vollerwerb, ist diese Frage ganz klar mit einem Nein zu beantworten. Sie hat deshalb eine Petition „Ackerland schützen und andere Flächen für Photovoltaik nützen“ initiiert. Über 4200 Menschen haben diese bereits unterschrieben. Gestartet hat Schmit die Petition mit zwei Gleichgesinnten als Reaktion auf die unlängst von der burgenländischen Landesregierung verabschiedeten Verordnung, welche rund 1500 ha als Eignungsflächen für PV-Freiflächenanlagen ausgewiesen hat.
Etwa 80% davon entfallen nämlich auf wertvolles Ackerland, welches dadurch für Jahrzehnte der Produktion regionaler Lebens- und Futtermittel entzogen werden kann. Dabei macht die Pachthöhe ein Vielfaches des aus der landwirtschaftlichen Bewirtschaftung erzielbaren Deckungsbeitrages aus. Ein unschlagbar gutes Angebot, wenn man nur an seine Brieftasche denkt. „Das wäre so, als würdest du deinen Grund innerhalb von 20 Jahren zweimal zu Höchstpreisen verkaufen und am Ende gehört er immer noch dir“, rechnet Schmit vor.
Sie gibt allerdings zu bedenken, dass der Selbstversorgungsgrad mit grünem Strom im Burgenland bereits bei über 130% liegt, wohingegen jener für Nahrungsmittel sogar unter 50% gefallen ist. Dennoch positioniert sich die ehemalige Bezirksbäuerin als Befürworterin der Energiewende und nutzt selbst eine PV-Anlage am Dach ihrer Verkaufshalle. Sie ist davon überzeugt, dass es kein Entweder-oder sein muss, sondern dass PV in Österreich genügend Ausbaupotenzial auf nicht landwirtschaftlich genutzten Flächen finden kann.
Erst alle Dächer nutzen!
Viele Landwirte sind auf langfristige Pachtverträge angewiesen, wobei die Grundbesitzer oft selbst nicht in der Landwirtschaft tätig sind. Der Interessenskonflikt ist vorprogrammiert. Die Grundbesitzer springen auf den Zug der hohen Pachterträge durch PV-Nutzung auf und landwirtschaftliche Betriebe stehen plötzlich ohne Grund und Boden da. Im Burgenland ist die Lage besonders ernst, da das Land weitere 1500 ha für Freiflächen PV ausweisen will.
Auch in anderen Bundesländern wird der rücksichtslose Vormarsch von PV auf Ackerflächen kritisch gesehen. Stefan Greiler, der einen modernen Milchviehbetrieb in Kärnten führt und ebenfalls PV am Dach für seinen Betrieb nutzt, empört sich über eine unweit vom Hof neu errichtete PV-Freiflächen-Anlage, die auf 3 ha gutem Ackerboden steht. „Solange nicht jedes Dach in Österreich für PV genutzt wird, sollten wir die Finger von allen anderen, insbesondere landwirtschaftlich genutzten oder natürlichen Flächen lassen“, appelliert der Milchbauer.
Zwar sind sich alle Betroffenen, von den Gesetzgebern über die Energieversorger und die Nutzer darin einig, dass bereits versiegelte Fläche für neue PV Anlagen bevorzugt werden soll. Allerdings weist eine Studie von Professor Hubert Fechner darauf hin, dass das Ausbaupotenzial von Dachflächen in Österreich bis 2030 bei maximal 4 TWh liegt. Grund dafür sind ungünstige Rahmenbedingungen und die relativ hohen Installationskosten.
6 TWh Bedarf an Freiflächen
Um die geplanten zusätzlichen 11 TWh PV-Stromproduktion umsetzen zu können, müssen auch andere Flächen genutzt werden, fasst Fechner seine Ergebnisse zusammen. Natürlich müssen so viele Dächer wie möglich ausgebaut werden, jedoch sieht er bis 2030 auch einen Bedarf an knapp 6 TWh Freiflächen-PV, um die Ziele zu erreichen.
Allein die in Österreich verfügbaren Flächen von extensiver Weidehaltung bzw. nicht mehr genutztem Grünland würden ein realisierbares Potenzial für Freiflächen-PV um die 30 TWh bieten. Also mehr als genug. Dabei ist unbedingt anzumerken, dass von Ackerflächen in der Studie nie die Rede ist.
Vergessen wird oft: Die PV-Ausbauziele sind ohne Freiflächen-PV nicht erreichbar. So sieht es auch Egmont Fröhlich. Er leitet als Geschäftsführer nicht nur ein, sondern gleich zwei Unternehmen in der PV-Branche. Die meisten seiner Projekte finden auf Dächern von Betriebsobjekten Platz.
Aber Freiflächen-PV hat für ihn ihre Berechtigung: „Vergleicht man die Umsetzungszeit für eine private Dachanlage mit der von einer Freiflächenanlage, kann um den Faktor 20 mehr Leistung installiert werden. Sprich innerhalb von einer Woche kann dasselbe Errichtungsteam drei 5 kW PV-Dachanlagen oder aber eine 350 kWp Freiflächenanlage realisieren“, gibt Fröhlich zu bedenken. Außerdem führten Freiflächenanlagen nicht zu einer Bodenversiegelung, da PV-Anlagen nach ihrer Nutzungsdauer vollständig rückgebaut und der Boden wieder landwirtschaftlich genutzt werden könne. Fröhlich weist auch darauf hin, dass das Dachpotenzial für PV oftmals überschätzt wird.
PV als Autobahnbegleiter
Eine interessante Lösung wäre nach Expertenmeinung die Umwidmung von Flächenstreifen entlang von Autobahnen. Diese stellt z.B. Fechner in seiner Studie vor. Auch Fröhlich und Alexander Bauer, Leiter des Instituts für Landtechnik an der BOKU, würden sie begrüßen. Denn aufgrund der Verkehrsemissionen sind diese Flächen für die Lebensmittelproduktion wenig attraktiv und es ergeben sich infrastrukturelle Vorteile für die Verkabelung und Logistik.
In Deutschland können Freiflächen-Anlagen bereits seit 2021 bis zu 200 m breite Autobahn-Randsteifen nutzen. Ein gutes Konzept, sofern die Landwirte an dem Modell mitverdienen. Fröhlich denkt auch an Deponien und Flächen in der Nähe großer Energieverbraucher wie Industriegebiete. Weitere mögliche Flächen sind Parkplätze, Märkte oder Hotels. Besonders interessant für die Landwirtschaft wären auch Agri-PV-Projekte. Zudem sollten PV-Anlagen weitflächig in Österreich verteilt werden, um eine gleichmäßige Performance zu erzielen.
Was den Acker betrifft, so kommen nur Flächen in Betracht, die so schlechte Erträge liefern, dass Landwirte ohnehin an eine neue Bewirtschaftungsform denken. Fechner nennt z.B. Böden im Weinviertel, die unter starkem Wassermangel leiden. Experten sind sich einig: Ertragreiche Ackerböden sind primär der Lebensmittelproduktion zu widmen. Die Sonne scheint auf genügend andere Flächen.
Anja Rautnig
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