Dürren und Extremwetter gefährden die Ernte, schwankende Marktpreise und politische Krisen stellen zusätzliche Herausforderungen dar. In diesen Zeiten ist häufig der Wunsch nach einem zweiten Standbein groß. Könnte Agriphotovoltaik eine Lösung sein?
Genau 30 % mehr Investitionszuschuss für Agri-PV Anlagen. Hört sich gut an, wenn man das in den Förderbedingungen des neues EAG liest. Stellt sich nur die Frage, was eine Agri-PV-Anlage eigentlich ist? Allgemein verstanden wird darunter eine PV-Anlage, die so in einen landwirtschaftlichen Betrieb integriert wird, dass Strom erzeugt werden kann, aber die Lebensmittelproduktion das Kerngeschäft bleibt.
Konzepte gibt es viele, eine einheitliche Definition für die relativ junge Technik allerdings noch nicht. Laut EAG-Verordnung ist eine Anlage als Agri-PV-Anlage förderfähig, wenn eine landwirtschaftliche Hauptnutzung vorliegt und die Stromproduktion eindeutig sekundär genutzt wird. Außerdem müssen die PV-Module gleichmäßig über die gesamte Fläche verteilt werden und mindestens 75 % der Fläche muss der Produktion von pflanzlichen oder tierischen Erzeugnissen dienen.
Technik bietet Spielraum
Bereits im Einsatz sind spezielle, horizontal ausgerichtete Module, die auf Ackerflächen oder Glashäusern montiert werden. Diese Module lassen nicht nur ausreichend Sonnenlicht durch, damit die darunter befindlichen Obst- oder Gemüsekulturen gedeihen können. Sondern sie können möglicherweise positive Effekte während Hitzeperioden haben und den Wasserbedarf reduzieren. Für bestimmte Beeren-, Obst- oder Gemüsekulturen kann die Beschattung sogar zu einer Ertragssicherung und teilweise Ertragssteigerung führen.
Ähnlich funktionieren stehende, bifaziale PV-Module, wobei diese auf beiden Seiten (meist Ost- und West-Ausrichtung) Sonnenenergie in Strom umwandeln. Mit einem Reihenabstand von ca. 9 bis 12 m können die Zwischenflächen mit vorhandenen Maschinen und Geräten bewirtschaftet werden. Auch als Zaun lassen sie sich einsetzen. Die derzeit laufenden Feldversuche mit PV und Ackerfrüchten sehen vielversprechend aus, bestätigt Alexander Bauer, Mitarbeiter des Instituts für Landtechnik (BOKU).
Auch eine Anordnung als PV-Tische sieht er als zukunftsträchtig. Was die Konzepte von hoch aufgeständerten Agri-PV Anlagen betrifft, so genannte über-Kopf-Systeme, so sieht er diese eher in einem Nischenbereich. Denn diese seien konstruktionstechnisch aufwendig, teuer, und haben durch den hohen Materialverbrauch auch höhere Umweltauswirkungen als andere Agri-PV-Systeme.
Sinnvoll in Beeren oder Wein
Sinn machen diese Anlagen dennoch bei Sonderkulturen wie Wein oder Beerenobst. Allerdings sieht Bauer einen großflächigen Ausbau noch skeptisch. „Erst müssen Langzeitversuche auf Großflächen realisiert werden, damit wir die Einflüsse auf das Mikroklima, Pflanzenwachstum und die Biodiversität erfassen können.“, gibt er zu bedenken. Eine lukrative Umsetzung für Agri-PV hat Familie Neidl für sich entdeckt. Die Schafzüchter betreiben einen Schafzuchtbetrieb mit 300 Mutterschafen. Neben der Hauptrasse Jura sind mittlerweile auch Kärntner Brillenschafe vertreten.
Dienstleistung Mähservice
Seit letztem Jahr darf etwa die Hälfte der Schafe unter einer von Österreichs größten Photovoltaikanlagen grasen: Dem Schafflerhof in Wien. Die Module sind in einer Höhe von 80 cm (Modul Unterkante) montiert, sodass die Schafe problemlos darunter laufen können.
Außerdem hat Hannes Neidl Kleegras gesät, damit die Futteransprüche der Schafe erfüllt werden. Bei dem Projekt kommen mehrere Synergieeffekte zum Tragen. Zum einen profitiert der PV-Anlagenbetreiber, in diesem Fall Wien Energie, dadurch, dass die PV-Module nicht überwuchern und so verschattet werden. Die Schafe wiederum können die Photovoltaik-Module als Unterstand nutzen. „Und wir erhalten für die Weidepflege eine finanzielle Entschädigung von Wien Energie“, so Hannes Neidl.
Der Schafzüchter sieht noch mehr Potenzial für die Schaf-PV-Kombination. „Mit nur 70 % Selbstversorgungsgrad und aufgrund der seit Jahren steigenden Lämmerpreise kann der Schafbestand in Österreich noch wachsen.“ In jedem Fall rät Neidl aufgrund seiner ersten Erfahrungen, etwas höhere Module mit einer Unterkantenhöhe von 90 bis 100 cm zu verwenden. Überlegenswert wäre neben Schafen auch eine Kombination mit Hühnern und anderem Geflügel bzw. Kleinvieh.
Sonnenbeeren aus Ansfelden
Eine andere Idee verfolgt die Gemeinde Ansfelden in OÖ. Hier wurde ein 1 ha großer Kleinschrebergarten zur PV-Fläche umgewidmet und der projektverantwortliche Gemeinderat Christian Werenka plant ein Agri-PV-Himbeerfeld. „Der Vorteil an Beeren ist, dass sie im Wald ja auch im Schatten wachsen. Bei uns kommt der Schatten einfach von der PV-Anlage“, erklärt Werenka.
Inspiriert wurde das Projekt durch Fabian Karthaus, einem Landwirt aus Deutschland, der auf 0,4 ha Beerenobst unter hoch aufgeständerten PV-Modulen anbaut. Dessen erste Ergebnisse können sich sehen lassen: Die Ernte fiel gut aus und zusätzlich konnte Karthaus 640000 kWh Solarstrom im Jahr verkaufen. Ein solches Konzept soll nun auch in Ansfelden umgesetzt werden.
Weitere Agri-PV Projekte in Österreich, z.B. mit PV-Tischen oder bifazialen Modulen, finden sich im Projektportfolio von EWS Sonnenfeld. Das Unternehmen hat sich auf die Planung und Umsetzung von Agri-PV spezialisiert. Wenn jede zweite Gemeinde ein Agri-PV Feld anlegen würde, könnten diese Sonnenfelder 17 % des Stromverbrauchs in ganz Österreich decken, so die Profis. Und das bei minimalem Flächenverbrauch, Erhalt der landwirtschaftlichen Nutzung und damit der wertvollen heimischen Lebensmittelproduktion.
Anja Rautnig
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