Die Puten in Robert Wiesers Stall können jederzeit in den Wintergarten, es gibt gentechnikfreies Futter und genügend Platz. „Wir haben heuer im März diesen Stall in Betrieb genommen“, sagt Robert Wieser aus Kirnberg an der Mank in Niederösterreich. Eine steigende Nachfrage über die vergangenen Jahre beflügelte Neueinsteiger und auch bestehende Putenmäster zum Neu- oder Ausbau.
Wieser hat mittlerweile vier Ställe und mästet rund 60.000 Puten pro Jahr. „Die Geflügelhaltung in Österreich ist ein Paradebeispiel, wie Tierwohl funktionieren kann. Wir sind in vielen Bereichen Vorreiter“, sagt Wieser. Im Vergleich zu ihren Artgenossen in der EU haben heimische Truthähne um rund 70 % mehr Stallfläche zur Verfügung. Außerdem fressen sie nur gentechnikfreies Futter. „Seit wir auf mehr Tierwohl umgestellt haben, gehe ich lieber in den Stall und die Tiergesundheit ist besser“, sagt der Landwirt. Sein Absatz laufe noch gut, trotzdem trübt sich die Stimmung bei den rund 200 österreichischen Putenmästern derzeit ein.
Seit dem Beginn des Ukraine-Kriegs und den rasant steigenden Preisen geht der Absatz zurück. Denn der Lebensmittelhandel bringe immer mehr Importware in die Regale. Während die österreichische Ware per Kilo 17 bis 18 € kostet, ist die Importware um 8 bis 9 € zu haben.
Seit 2015 wird das strengere Tierschutzgesetz bei den Puten umgesetzt . Die Mastbetriebe haben es gemeinsam mit dem Lebensmittel Einzelhandel und dem Gesundheitsministerium ausgehandelt. Seit damals wird es von den Betrieben umgesetzt. „Wir haben maximal 40 kg pro Quadratmeter im Stall an jedem Tag im Jahr. Diesen Standard hat auch der Handel von den Bauern gefordert“, schildert Wieser.
Mehr Tierwohl für Puten
Das habe gut funktioniert. Doch jetzt fühlt sich nicht nur Wieser, sondern die ganze Branche vom Handel im Stich gelassen. Die österreichische Premiumware werde direkt neben dem, wesentlich billigeren ausländischen Produkten präsentiert. Hier gibt es oft keine Kilogramm-Beschränkungen in den Stallungen und die Puten bekommen genetisch verändertes Futter vorgesetzt. Auf top agrar Österreich-Anfrage erklärt eine Sprecherin von Spar, dass „nur ein kleiner Teil der Puten, unter 10 %, aus Italien in die Regale komme“. Ein Teil des Geflügels sei von einem heimischen Erzeuger, der aber über der Grenze in Deutschland schlachten lasse. Beim Fleisch ist die Nachfrage in der Preiseinstiegslage derzeit steigend, heißt es von dem Lebensmittelkonzern.
Klares Bekenntnis gefordert
„Wir wollen ein klares Bekenntnis vom Handel, unsere Ware zu präsentieren und eine vollständige Umstellung auf österreichische Pute“, fordert Markus Lukas, Obmann der Geflügelwirtschaft Österreich. Auch die prozentuellen Aufschläge der Lebensmittelketten würden die heimische Ware verteuern. „Hier braucht es eine Änderung“, sagt Lukas.
Die Mäster bemerkten bereits einen Rückgang bei den Bestellungen, rund 11 % weniger Geflügelfleisch verkaufte der Handel im ersten Halbjahr 2022, laut AMA. Innerhalb der Branche habe man sich laut Lukas auf einen Rückgang der Produktion von 25 % eingestellt: „Wir haben uns darauf geeinigt, dass eher Betriebe, die ihre Ställe schon bezahlt haben, die Produktion drosseln, damit neue Betriebe keine Probleme mit ihrer Finanzierung bekommen.“
Wolfgang Hackl aus Atzelsdorf in Niederösterreich hat heuer seinen Truthahnstall mit 25.000 Mastplätzen in Betrieb genommen. „Ich wollte wieder zur Tierhaltung und meinen eigenen Dünger zur Verfügung haben“, sagt Hackl. Die Kreislaufwirtschaft ist dem Weinviertler wichtig, ebenso wie eine zeitgemäße Vermarktung. „Ich habe für meine Truthähne einen Großabnehmer und ich vermarkte einen Teil selbst, dafür habe ich eine eigene Schlächterei für 300 Tiere pro Tag gebaut“, schildert Hackl. Das Thema Importfleisch müsste der Handel regeln. „Ich glaube, der Konsument ist grundsätzlich gewillt, österreichische Produkte zu kaufen, hier hat er die Garantie für gentechnikfreie Fütterung und bestes Tierwohl.“
Einstiegssegment geplant
Derzeit diskutiert die Branche ein Einstiegssegment bei der heimischen Pute, damit nicht nur das Premiumprodukt in den Geschäften verkauft wird. Durch den günstigeren Preis will man den Absatz ankurbeln. „Wir befinden uns hier gerade in den ersten Gesprächen“, sagt Lukas. Ziel sei es, die Putenmastbetriebe in den nächsten Monaten wieder in ruhiges Fahrwasser zu bringen. „Es wird auch in der EU über eine maximale Besatzdichte bei der Putenhaltung diskutiert“, meint Lukas. So müssten sich auch die anderen Länder an die österreichischen Produktionsbedingungen annähern. „Es ist eine schwierige Zeit. Aber wir werden den Weg aus der Krise hinaus schaffen, gemeinsam mit dem Handel“, ist sich Lukas sicher.