In der Ferkelproduktion herrscht seit sieben Monaten Ausnahmezustand. Das herausfordernde Marktumfeld, neue Auflagen und die unsichere Zukunft belasten die Betriebe.
Es geht sich nicht mehr aus“, erklärt ein Schweinebauer aus Oberösterreich. Futtermittel, Betriebskosten und die Energie sind die Preistreiber. Die Erlöse, die mit den Ferkeln lukriert werden, stagnieren oder gehen zurück. Gleichzeitig gibt es höhere Tierwohl-Auflagen, und auch das geplante neue Tierarzneimittelgesetz bringt die Betriebe unter Druck.
„Die in Österreich geborenen Ferkel gehen drastisch zurück“, erklärt Franz Ratzenberger, Geschäftsführer der Hybeda. Die Erzeugerorganisation aus Oberösterreich müsse ihre Mitglieder im Moment wegen des Jungsauenverkaufs gar nicht kontaktieren. „Gut 10 % unserer Kunden haben seit dem vergangenen Herbst die Produktion eingestellt“, sagt Ratzenberger.
Im heurigen Juni verzeichnete die Statistik Austria einen Rückgang an Ferkeln und Jungschweinen im Vergleich zum Vorjahr um 3,6 % auf 1,37 Mio. Tiere, jener an Zuchtschweinen ging um 4,3 % auf 224200 zurück.
Die Schweineproduktion nehme derzeit in ganz Europa ab. Ebenso wie der Konsum. Laut RollAMA-Daten ging der Umsatz von Schweinefleisch im österreichischen Handel im ersten Halbjahr 2022 im Vergleich zum Vorjahr um 14,6 % zurück. Bei Wurst und Schinken sind es 7,5 % weniger.
In Bayern rechnen Experten mit einem Rückgang der Ferkelproduktion von 40 bis 50 % in den nächsten fünf Jahren, berichtet VLV Ferkelring-Geschäftsführer Johann Stinglmayr nach einem Treffen mit der Ringgemeinschaft Bayern. Im VLV-Ferkelring rechnet er heuer mit einem Produktionsrückgang von 5 %.
Keine Neueinster
„Es hören natürlich Betriebe auf, aber nicht mehr als in der Vergangenheit. Es gibt jedoch keine Neueinsteiger in die Ferkelproduktion und kaum Investitionen“, sagt Stinglmayr. In den vergangenen drei Jahren sieht er den dadurch ausgelösten Produktionsrückgang bei rund 10%. „Das entspricht in etwa dem Rückgang bei der Ferkelnachfrage“, sagt Stinglmayr. Neben dem schwierigen Marktumfeld und der dadurch verursachten Kaufzurückhaltung bei den Mästern, hat die neue Richtlinie des AMA-Gütesiegels mit 10% mehr Platz für die Mastschweine massive Auswirkungen auf die Absatzmöglichkeiten der Ferkelproduzenten.
ZU KURZE ÜBERGANGSFRIST
„Diese Regelung wurde innerhalb kürzester Zeit ohne Rücksicht auf eindringliche Warnungen vor Absatzverwerfungen am heimischen Ferkelmarkt umgesetzt. Von unseren 15000 vermarkteten Ferkeln in der Woche gehen rund die Hälfte zu AMA-Gütesiegel-Betrieben. Sprich bis zu 750 Ferkel pro Woche wurden von heute auf morgen allein durch diese Maßnahme nicht mehr nachgefragt. Hier hätte es eine längere Übergangszeit gebraucht“, sagt Stinglmayr. Darüber hinaus sei bereits das ganze Jahr über eine Einstallmüdigkeit bei Mästern zu spüren. Manche haben sich sogar entschieden, das geerntete Futter zu verkaufen.
Langer Atem zahlt sich aus
„So ein Jahr wie heuer habe ich in den vergangenen 30 Jahren noch nicht erlebt. Prognosen sind schwierig zu treffen, aber ich glaube, jene Betriebe, die in dieser Phase einen langen Atem haben, werden zukünftig ein deutlich besseres Marktumfeld vorfinden. Das heimische Ferkel wird zukünftig mehr denn je gebraucht werden“, ist sich Stinglmayr sicher. Ratzenberger ist zuversichtlich, dass heuer noch eine leichte Erholung kommt. Wie jedes Jahr nach der Maisernte.
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