Nicht nur die Milchleistung, sondern Fitness und Gesundheit sind zu einem zentralen Element in der Fleckviehzucht geworden.
Unser Autor
Dr. Christian Fürst, Zuchtdata Wien
Über viele Jahrzehnte lag der Schwerpunkt in der Fleckviehzucht darin, die Milchleistung der Kühe zu steigern und die Fleischleistung beizubehalten. Davon kann allerdings schon länger nicht mehr die Rede sein. Tierwohl, Fitness und Gesundheit sind von einer Nebenrolle zu einem zentralen Element bei Zuchtentscheidungen geworden.
Leistung enorm gestiegen
Aufgrund der züchterischen Maßnahmen, aber auch durch Verbesserungen im Management auf den Betrieben stieg die Milchleistung von Fleckviehkühen lange Zeit beachtlich an. So konnte bei den Kontrollkühen die 305-Tage-Leistung seit 1990 um mehr als 3000 kg gesteigert werden und liegt aktuell bei 7742 kg. Gesamtzuchtwert und Milchwert haben in diesem Zeitraum enorm zugelegt. Währenddessen blieb der Fleischwert wie gewünscht stabil und ist zuletzt, vor allem aufgrund der Nettozunahme, sogar leicht gestiegen.
Zucht auf Nachhaltigkeit
Die stark gestiegenen Milchleistungen pro Laktation in Kombination mit der in den letzten zwei Jahrzehnten leicht erhöhten Nutzungsdauer führte zu einer massiven, fast lineare Steigerung der Lebensleistung (Übersicht 1). In den letzten 30 Jahren kletterte die Lebensleistung der abgegangenen Fleckviehkühe um mehr als 13000 kg – das sind fast 500 kg pro Jahr – auf aktuell 32112 kg Milch. Parallel dazu stieg auch die Lebenstagsleistung in den letzten 20 Jahren von 9,4 auf 13,7 kg Milch je Lebenstag.
Solch langlebige Kühe sind wohl das Ziel eines jeden Rinderhalters. Mit 15. Juni 2022 gab es 2156 Kühe, die die Marke von 100000 kg Milch erreicht und zu Beginn des Kontrolljahres 2021 noch gelebt haben. In diesen Kreis haben es 1434 Fleckviehkühe und damit 66,5% aller 100000 l-Kühe geschafft (Übersicht 2). Durch die unterschiedlichen Zuchtausrichtungen liegt der Anteil aller 100000er-Kühe an den jeweiligen Kontrollkühen in Bezug auf die Rasse nur bei 0,44% der Fleckviehkühe, 0,81% der Holsteinkühe und 0,69% der Brown Swiss-Kühe.
Fitness mehr gewichtet
In den letzten Jahren hat sich die Fleckviehzucht neu ausgerichtet, um die Bereiche Fitness und Gesundheit weiterzuentwickeln. Erstmals wurde 1998 bei der Einführung des Gesamtzuchtwerts (GZW) auch die Fitness stärker im Zuchtziel gewichtet. Inzwischen fließen die Fitness- und Gesundheitsmerkmale mit 44% und damit stärker als die Milchleistung (38%) in den GZW ein. Der Anteil für die Fleischmerkmale liegt bei 18% (Übersicht 3).
Außerdem wurden verschiedene Fitnessmerkmale wie z.B. 1995 die Nutzungsdauer oder 2010 die Gesundheit in die Zuchtwertschätzung (ZWS) eingeführt. Dadurch konnte die lange negative Entwicklung in der Fitness in eine positive Richtung gedreht werden. Diese positive Entwicklung zeigt sich auch bei einem genaueren Blick auf die Einzelmerkmale (Übers. 4). Bei der Fruchtbarkeit erkennt man, dass der durch den negativen genetischen Zusammenhang zur Milch rückläufige Trend durch die Entwicklung einer ZWS und entsprechender Gewichtung im GZW gebremst wurde. Dennoch ist es bei diesen Merkmalen aufgrund der überwiegend niedrigen Erblichkeit, den teilweise geringen Datenmengen und dem negativen genetischen Zusammenhang zur Milch schwierig, nennenswerte genetische Verbesserungen zu erzielen.
Die genomische Selektion und die neue Single-Step-ZWS werden in Zukunft jedoch die positive Entwicklung der Gesundheitsmerkmale verstärken. Durch die neue Methode stehen nun genomische Zuchtwerte z.B. für Mastitis, frühe Fruchtbarkeitsstörungen und Zysten nicht nur bei nachkommengeprüften Stieren, sondern auch bei genomischen Jungstieren und weiblichen Tieren für die Selektion zur Verfügung. Die in Vorbereitung befindliche ZWS für Klauengesundheit und Stoffwechselstabilität wird die positive Entwicklung noch weiter vorantreiben. ▶
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