Den massiven Strukturwandel der vergangenen 25 Jahre haben nur die besten Sauenhalter überstanden. Aktuell freuen sie sich über hohe Preise. Doch es steht ein neuer Umbruch bevor.
Angesichts der hervorragenden Preise sollten unsere Sauenhalter derzeit vor Selbstbewusstsein strotzen. Doch das Gegenteil ist der Fall: Sie sind extrem verunsichert. Die neuen Abferkelbuchten, das Kupierverbot oder Tierwohldebatten lassen die Bauern über ihre Zukunft grübeln.
Ähnlich war die Lage vor 25 Jahren am Anfang des EU-Beitritts, als top agrar Österreich erstmals erschien. Die Sauenhalter wussten nicht, wie sich Österreich am freien Markt behaupten kann.
Die Betriebe waren damals kleinstrukturiert und wenig spezialisiert. Fast alle produzierten Schweine auf Stroh. Die Anbindehaltung der Sauen war Praxis. Zudem gab es Oberbestandsgrenzen von 50 Zuchtsauen und 400 Mastschweinen.
Dennoch bot der EU-Beitritt eine Chance für die Schweinehalter. Vor allem das fünfjährige Sonderinvestitionsprogramm führte dazu, dass sich die Betriebe schnell entwickelten. Sie investierten in zeitsparende, strohlose Produktionssysteme und bauten den technischen Fortschritt ein.
Bestes Ferkeljahr 2001
Die Ferkelpreise ähnelten im Lauf der Jahre einer Fahrt mit der Achterbahn. Nach einem kurzen Hoch in den ersten Jahren fiel der Preis allerdings rasant. Mit einem Jahrespreis von im Schnitt 1,57€ war 1999 bisher das schlechteste Ferkeljahr (siehe Übersicht 1).
Danach ging es aber steil bergauf. Die BSE-Krise bei den Rinderbauern begünstigte den Höhenflug der Schweinepreise. 2001 lag der Ferkelpreis im Jahresschnitt bei 2,70€. Zum Vergleich: Das super Ferkeljahr 2019 lag mit 2,69€ Durchschnittspreis knapp darunter. Das heißt, bis jetzt war 2001 das beste Marktjahr für Ferkelerzeuger.
Bis jetzt! Denn die Preisaussichten für dieses Jahr sind sehr gut. Im Laufe des Frühjahres erwartet die Branche, dass die Preise aufgrund der Ferkelknappheit weiter steigen – vorausgesetzt die Afrikanische Schweinepest bleibt fern.
Während der guten Preise Anfang der 2000er lies die nächste Krise nicht lange auf sich warten. Große Sorgen bereitete den Sauenhaltern 2003 das Circovirus. Josef Brandstätter, VÖS Obmann Stellvertreter und selbst Sauenhalter erinnert sich: „Wenn keine Impfung gekommen wäre, hätte ich wahrscheinlich aufhören müssen. Die Krankheit war existenzbedrohend für viele Betriebe.“
Stillstand bei Investitionen
Danach erholte sich der Schweinemarkt. 2005 kam schließlich das Verbot der Anbindehaltung der Sauen, das Kastenstandverbot und die Gruppenhaltung nur wenige Jahre später. 2013 sorgte die Einführung der Bewegungsbuchten im Abferkelbereich und im Deckzentrum für eine neue Herausforderung in der Ferkelproduktion.
Für viele Betriebe war das zu viel in der kurzen Zeit. „Seit 2013 gibt es praktisch einen Stillstand bei den Betriebsentwicklungen. Viele sind verunsichert, ob die beschlossenen Vorgaben halten. Sie wollen sicher sein, dass sie 20 bis 25 Jahre Zeit für die Abschreibung haben“, erklärt Johann Stinglmayr, Geschäftsführer der VLV Ferkelringe.
Die niedrigen Preise nach dem Russland-Embargo 2014 verschlechterten die Situation zusätzlich. Gleichzeitig traten die Tierschützer in den vergangenen zehn Jahren vermehrt auf den Plan. Deren Forderungen und die gesellschaftlichen Anfeindungen setzen die Schweinehalter zusätzlich unter Druck.
Diesem hielten viele Betriebe nicht Stand. Unterm Strich hat sich die Zahl der sauenhaltenden Betriebe seit 1995 um rund zwei Drittel reduziert. Derzeit halten nur noch rund 3000 spezialisierte Ferkelerzeuger und rund 3500 geschlossene Betriebe 234000 Sauen (1995: 387000 Sauen). Gleichzeitig stiegen die biologischen Leistungen der spezialisierten Betriebe z.B. beim VLV von durchschnittlich 18,5 auf 25 abgesetzte Ferkel pro Sau und Jahr (siehe Übersicht 2). Somit konnte die Eigenversorgung an Ferkeln in den vergangenen 25 Jahren großteils gesichert werden. Insgesamt produziert Österreich heute 4,7 Mio. Ferkel (1995: knapp 5 Mio. Ferkel).
Die Branche befürchtet jetzt aber einen größeren Bestandsrückgang, sollten die Bauern in den kommenden Jahren nicht in ihre Betriebe investieren. Vor allem bei den Bewegungsbuchten warten viele noch ab, weil sie bis 2033 Änderungen bzw. Anpassungen befürchten (siehe dazu die Reportagen ab Seite 52). In Oberösterreich sorgt der heurige Antragsstopp auf Förderungen für zusätzliche Verunsicherung.
Bestandsschutz muss her!
Um die Eigenversorgung an heimischen Ferkeln zu sichern, fordert Stinglmayr einen Bestandsschutz: „Jeder Betrieb soll neue Gesetze dann umsetzen müssen, wenn er wieder in den Betrieb investiert und nicht an einem willkürlich festgelegten Zeitpunkt. Die Betriebe würden sich dann viel freier aber auch rascher entwickeln können.“
Josef Brandstätter hebt außerdem hervor, dass Betriebe, die frühzeitig auf die Bewegungsbuchten umsteigen, einen erhöhten Fördersatz erhalten sollen. Denn diese werden bis ins Jahr 2033 Nachteile haben. „Die größeren Buchten sind arbeits- und kostenintensiver, vor allem was zum Beispiel die Reinigung betrifft“, erklärt er.
Gleichzeitig müssen Zubauten rasch und unkompliziert genehmigt werden können. „Es darf nicht sein, dass Betriebe aus diesem Grund auf einen Umbau verzichten, weil sie sich die Verfahren nicht antun wollen“, erklärt Stinglmayr. Hans Peter Bäck und Raimund Tschiggerl von der Styriabrid fordern hier ein konkretes Bundesgesetz, um Rechtssicherheit für die Bauern zu schaffen.
Kupierverbot als Chance?
Eine weitere Herausforderung für die Schweinebauern wird das Kupierverbot der Schwänze in den nächsten Jahren darstellen. Künftig werden sich alle Schweinebauern mehr mit dem Thema auseinandersetzen müssen. Neben zusätzlichen Aufzeichnungen müssen viele auch die Betriebsabläufe überarbeiten. „Das kann aber auch ein Vorteil sein, um Betriebsblindheit vorzubeugen“, betont Brandstätter.
Die Branche will sich bei Eingriffen beim Ferkel aber nicht verschließen. „Wenn es eine vernünftige und praxistaugliche Lösung gibt, dann machen wir das auch“, erklärt er weiter. Das betrifft auch die Kastration männlicher Ferkel. Da diese in Österreich gesetzlich geregelt ist, dürfte es trotz der Diskussionen in Deutschland in nächster Zeit vorerst keine Änderungen geben.
Eine weitere Baustelle ist das Thema Antibiotika. Spätestes in zwei Jahren, wenn Zinkoxid verboten wird, müssen sich die Ferkelerzeuger diesem Thema vermehrt stellen. Aber auch Krankheiten wie z.B. PRRS tragen zu einem erhöhten Antibiotika-Verbrauch bei. Dem will die Branche vor allem mit gezielten Impf-Strategien entgegenwirken.
Heuer wird es dazu eine Erhebung geben, welchen PRRS Status die heimischen Ferkelerzeuger-Betriebe haben. Auf längere Sicht werden PRRS positive Betriebe auch bei uns ihre Ferkel impfen müssen. Voraussetzung ist aber, dass diese Impfmaßnahme die Bauern selber durchführen dürfen und nicht den Tierärzten vorbehalten ist.
Nutzen Sie das Preishoch!
Obgleich Bewegungsbuchten, Eingriffe beim Ferkel oder Antibiotika große Herausforderungen sind, gibt es auch große Chancen für die Ferkelproduktion. Eine davon sieht der neue Spartenleiter Ferkel der EGZ Gut Streitdorf Olaf Grünwald beim Zusammenschluss der Zuchtorganisationen. Er ist überzeugt, dass so das genetische Leistungspotenzial noch besser ausgeschöpft werden kann und die heimische Genetik wettbewerbsfähig bleibt.
Dennoch wird der Strukturwandel auch in den kommenden Jahren weitergehen. Die Betriebe, die weiterhin in der Sauenhaltung bleiben wollen, sollten jetzt die Hochpreisphase nutzen, um sich mit weitsichtigen Maßnahmen für die Zukunft zu wappnen. Nur so kann die heimische Ferkelerzeugung auch in Zukunft gesichert werden.
beate.kraml@topagrar.at