Bislang spielt der Einsatz von gesextem Sperma in Österreichs Kuhställen eine untergeordnete Rolle. Ein neues Sexing-Labor in Süddeutschland könnte das Angebot erweitern und den Einsatz interessanter machen.
Jede zehnte Holstein-Besamung erfolgt in Österreich mit gesextem Sperma (Details auf S. 59). Hier lässt sich in den letzten Jahren ein deutlicher Wachstumstrend beobachten. Auch beim Braunvieh steigt die Anzahl an gesexten Besamungen und liegt inzwischen bei 6% (Übersicht 1).
Dass genau bei diesen beiden Rassen ein Aufpreis bei der Besamung für weibliche Nachzucht gezahlt wird, passiert nicht ohne Grund. Bei den Milchrassen sind die Stierkälber wirtschaftlich uninteressant und werden häufig zum Schleuderpreis verkauft. Momentan liegt der Marktpreis für Holstein- und Braunvieh-Bullenkälber unter 100kg Lebendgewicht zwischen 1,40 bis 1,70€/kg LG (Kälbermarkt Bergland Sep./Okt. 2020).
Bei Fleckvieh kaum im Einsatz
Beim Fleckvieh scheint gesextes Sperma allerdings bisher kaum gefragt zu sein. Hier stagniert der Anteil an gesexten Besamungen unter 1% der Gesamt-Besamungen! Aufgrund der Doppelnutzung ist es egal, ob das Kalb männlich oder weiblich ist: Die Kälber lassen sich entweder wirtschaftlich vermarkten oder für die eigene Remontierung nutzen. Im Nutztiersegment sind die männlichen Kälber teurer als Kuhkälber (4,50€ vs. 3,50€/kg; Kälbermarkt Bergland Okt.2020), und aufgrund der aktuellen Probleme im Zuchtrinderexport sind derzeit auch die weiblichen Zuchtkälber kaum gefragt. Damit erklärt sich die verhaltene Nachfrage nach gesextem Sperma bei Fleckvieh von selbst. Eine weitere Ursache für die vergleichsweise geringen Einsatzzahlen könnte beim Fleckvieh im Preisgefüge liegen: Normale Portionen von Fleckviehstieren kosten zwischen 10 und 16€. Der Preis für gesextes Sperma ist dagegen mit rund 40€ pro Portion deutlich teurer. Dasselbe Preisgefüge gilt auch für Braunvieh. Im Gegensatz dazu ist die Preisdifferenz bei den Holsteins nicht so groß: Für eine normale Holstein-Portion muss man bereits zwischen 20 und 30€ bezahlen, gesext gibt es sie ebenfalls ab 40€.
Nachzucht verbessern
Diese Konstellation sorgt dafür, dass nur in Ausnahmefällen einzelne Fleckvieh-Züchter eine weibliche Nachzucht aus einer bestimmten Anpaarung suchen. Peter Stückler, Geschäftsführer der Genostar, erklärt: „Der Markt für gesextes Sperma ist in Österreich aufgrund des Rassenspektrums mit überwiegend Doppelnutzungsrassen in der Tendenz klein. Im Gebiet von Genostar, also Steiermark und Niederösterreich, liegt der Anteil an Besamungen mit gesextem Sperma durchschnittlich bei rund 1,7% mit einer leicht steigenden Tendenz. Ich gehe aber von einem Wachstum des Marktes aus.“
Das schätzt auch Bernhard Luntz vom Institut für Tierzucht an der Landesanstalt für Landwirtschaft in Bayern so ein: „Die politischen Rahmenbedingungen könnten den Einsatz von gesextem Sperma künftig lukrativ machen – auch beim Fleckvieh! Schon jetzt begrenzen in Deutschland die Auflagen der Dünge-Verordnung und steigende Pachtpreise einige Betriebe in ihren Tierzahlen. Wenn diese Betriebe abstocken müssen, ist es sinnvoll, die Qualität der Nachzucht gezielt zu verbessern.“
Neues, unabhängiges Labor
Aktuell lassen alle österreichischen Besamungsstationen das Sperma in verschiedenen Labors des US-Unternehmens Sexing Technologies (ST) in Italien sexen. Die Bullen stehen in Österreich, das Ejakulat wird just in time nach Italien transportiert und kommt geschlechtersortiert zurück. In Deutschland haben die meisten Zuchtunternehmen das Stiersperma in Norddeutschland (Cloppenburg, Niedersachsen), ebenfalls in einem Labor von Sexing Technologies, trennen lassen. Seit diesem Herbst kommt nun Konkurrenz in das Sexing-Geschäft.
Denn jetzt hat auch die Rinderunion Baden-Württemberg (RBW) in Süddeutschland in ein eigenes Labor zur Spermatrennung investiert. Hier lässt das RBW-Tochterunternehmen „RBW-Genetik“ seit August das Sperma der eigenen Bullen trennen und bietet den Service auch im Lohn an. Das Labor hat eine Kapazität von 200000 Portionen gesextem Sperma pro Jahr. Ab Oktober sollen elf Mitarbeiter in drei Schichten rund um die Uhr Sperma trennen.
In der technischen Ausstattung arbeitet die RBW mit der Firma „IntelliGen“ zusammen, einer Tochter vom Zuchtunternehmen „ABS Global“. Das Labor und die Geräte gehören aber der RBW. Damit ist es das einzige Sexing-Labor in Europa, das einer bäuerlichen Züchtervereinigung gehört. Der Verband hat lediglich einen Service-Vertrag mit ABS abgeschlossen. „Wir wollten ein unabhängiges Labor in bäuerlicher Hand“, sagt Dr. Alfred Weidele, Geschäftsführer der RBW.
Vorteil bei Entfernung
Ob und in welchem Umfang die österreichischen Stationen in Zukunft Sperma in Baden-Württemberg sexen lassen werden, hängt von mehreren Faktoren ab:
- Konkurrenzfähigkeit der dort angewandten Technologie in Qualität und Preis,
- Entfernung und
- Produktionskapazität des neuen Labors.
Für die Produktionsstandorte der österreichischen Besamungs-Organisationen (Wieselburg, Gleisdorf, Hohenzell) ergibt sich aber in jedem Fall ein Entfernungsvorteil durch das Labor in Bad Waldsee.
Qualität und Preis
Derzeit testen die Stationen die Möglichkeiten und Abläufe. Dr. Josef Miesenberger Geschäftsführer der OÖ Besamungsstation GmbH, erklärt: „Da wir mit der RBW in der Eurogenetik zusammenarbeiten, beabsichtigen wir, das Sperma unserer Stiere in Zukunft in Baden-Württemberg sexen zu lassen. Wir sind mit der bisherigen Zusammenarbeit mit ST in Italien zwar zufrieden, durch die zusätzliche Möglichkeit erwarten wir uns aber Kostenvorteile bei zumindest gleichbleibender Qualität.“ Auch Peter Stückler zeigt sich in puncto Qualität abwartend: „Wie sich die Qualität des in Baden-Württemberg gesexten Spermas bewährt, wird die Praxis zeigen. Es ist aber davon auszugehen, dass es keine großen Unterschiede gibt.“ Die Ansprüche der Organisationen hat Weidele im Blick: „Wir garantieren mindestens 87 % weibliche Spermien je Portion, liegen aktuell aber über 90%.“ Zur Trächtigkeitsrate führt die RBW aktuell eigene Versuche durch. Ziel sei es, bessere Befruchtungsergebnisse als das Standardprodukt von ST zu erreichen, welches 60% Trächtigkeiten verspricht. Beim Preis dämpft Weidele jedoch den Optimismus: „Die Preise für gesextes Sperma werden flächendeckend wohl nicht sinken. Die Kosten für die Spermatrennung liegen bei rund 20€ pro Portion.“
Auswahl wird größer
Ein großer Vorteil des unabhängigen Labors wird künftig die größere Auswahl an Stieren sein: „Wir können jetzt selbst entscheiden, wann wir welche Stiere sexen lassen. Die Auswahl wird steigen! Während vor einem halben Jahr nur 10 bis 15% der Holstein- und Braunvieh-Vererber der RBW gesext verfügbar waren, sind es heute bereits über 50%“, berichtet Alfred Weidele. „Unser Ziel ist es, langfristig alle Vererber der Milchrassen auch gesext anbieten zu können.“ Beim Fleckvieh werde man aufgrund der Nachfrage weiterhin nur rund 15% der Vererber gesext anbieten.
In Österreich gibt es bislang bereits von jedem vierten Holstein-Stier gesextes Sperma (25%). Beim Braunvieh und Fleckvieh ist der Anteil wesentlich kleiner (Übersicht 2). „Die Tatsache, dass in näherer Entfernung ein weiterer Anbieter für gesextes Sperma auftritt, wird den Wachstumstrend aber verstärken“, meint Peter Stückler. Und langfristig könnte das Angebot aus dem Süden Deutschlands den Wettbewerb ankurbeln.
Felicitas Greil, Anke Reimink
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