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"Mein Ziel: Nachhaltigkeit"

Hannes Hubinger investierte nicht nur in einen neuen Stall, sondern in ein nachhaltiges Betriebskonzept: Seine 60 Kühe geben Bioheumilch mit Sonnenvitaminen, der Substratstall bietet Tierwohl vom Feinsten, auf den Feldern wird aus der Einstreu Humus. Neugierig?

Lesezeit: 9 Minuten

Noch vor wenigen Jahren wirtschafteten Hubingers mit 20 Kühen im mit Fressliegeboxen und Melkstand umgebauten Stall intensiv, konventionell und als Silagebetrieb. Als Hannes (25) schließlich 2018 den Betrieb von seiner Mutter übernahm, sah er in der konventionellen Milcherzeugung keine Zukunft mehr. „Als ich auf Pioniere der regenerativen Landwirtschaft traf, machte mich das neugierig“, erzählt der Landwirt aus Taiskirchen im Innkreis.

In dieser Findungsphase traf Hubinger auf den Berater Ingo Kielwein (Fa. Alpengreen organic Appenzell GmbH). Sympathie und Ansichten harmonierten auf Anhieb. Nach mehreren Plänen war es fix: Im August 2019 rollten die Bagger an, um die neue, freitragende Halle mit 8 m Außentraufenhöhe zu errichten. Darin ist alles untergebracht: Kuhstall, Futterlager, Einstreulager. Alles unter einem Dach, keine Silos, keine Güllegrube. So kann Hannes Hubinger jeden Tag, bei Wind und Wetter im Trockenen arbeiten. Schon im Dezember 2019 zogen die ersten Kühe ein.

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Substrat – kein Kompost

Mit seinem Tierwohl-Stall verfolgt Hubinger zwei Ziele: 1. stressfreie Milchproduktion und 2. gesunde Kühe. Gemeinsam mit Ingo Kielwein war er sich einig: Das lässt sich nur mit einem Freilaufstall erreichen und - in diesem Fall - einem Substratstall nach dem Vorbild vom Appenzeller Land. Also kein Kompoststall, bei dem Kompost eingestreut wird, und auch kein Kompostierungsstall, bei dem organisches Material, z. B. Sägespäne, unter Luftzufuhr zu Kompost abgebaut wird. „Wir wollen im Stall keinen Rotteprozess! Die Nährstoffe sollen sich erst auf den Wiesen und Feldern abbauen und dort Humus bilden“, erklärt Berater Kielwein.



Daher „belüftet“ Hubinger seine Liegefläche auch nicht. „Wir haben uns die Natur zum Vorbild genommen. Dort gibt es keine Kompostierung! Bei einem Naturboden zersetzen die Bodenlebewesen das Material von unten, da kommt nur wenig Luft dazu. Wir fermentieren, statt kompostieren“, so der Landwirt. Daher bearbeitet Hubinger seine große Liegefläche (20 m² pro Kuh, 80 cm tief) nur einmal am Tag flach mit der Kreiselegge, um lediglich in den oberen 5 bis 10 cm den Kot einzuarbeiten. Die Liegefläche bleibt so auch im Sommer angenehm kühl. Bei warmen Außentemperaturen trocknet die Oberfläche zudem schnell ab, sodass der Landwirt kaum einstreuen muss.

Nur im Winter muss Hubinger, der seinen Betrieb alleine mit einem Teilzeit-Angestellten bewirtschaftet, täglich dünn einstreuen. Dazu verwendet er überwiegend gesiebtes Material aus Hackgut (für die Tragfähigkeit, aber „nicht zu grob“) oder Dinkelspelzen (für die Saugfähigkeit). Wenn ihm die Liegefläche im Winter dennoch zu tief wird, fährt Hubinger mit dem Traktor wie beim Silowalzen das Material wieder kompakt und fest. „Die Kühe sollen maximal bis zu den Afterklauen einsinken, sonst verbrauchen sie zu viel Energie beim Laufen“, erklärt Kielwein.

Die ausgesiebten Hackschnitzel bekommt Hannes für 17 €/m³, die Spelzen holt er gratis ab Werk. Die aus­gesiebten Nadeln dienen als Nährstoffspeicher und verjüngen später als Dünger den Boden. Einmal im Herbst räumt Hubinger die komplette Liege­fläche und unter dem Jahr je nach Bedarf der Flächen, insgesamt fallen so ca.  1.500 m³ Substrat als Dünger an. Mit der Gülle düngt der Landwirt das Grünland nach jedem Schnitt. Zen­tral, in der Mitte der Halle befindet sich ­die Technik. Mit dem Heukran kann ­Hubinger nicht nur die beiden stationären Paddel-Mischwagen füllen, sondern auch die Liegefläche einstreuen. Beide Futtermischer werden zu zwei Drittel mit Kleegras und ein Drittel mit Wiesenheu befüllt. „Der kleinere war bereits am Betrieb und wird für die Trockensteher-Mischung verwendet, der größere ist für die laktierenden Kühe“, erklärt Hubinger. „Die Futtermischer schneiden das Heu auf 2 bis 3 cm. Wichtig ist ein glatter Schnitt, damit die Struktur des Futters erhalten bleibt.“

26 kg TS-Aufnahme

Im automatischen Fütterungs- und Verteilroboter wird die Futterration 10-mal am Tag, in kleinen Portionen frisch gemischt und ausgefahren. Alle fünfzehn Minuten wird das Futter rangeschoben. „Die Kühe haben eine Trockensubstanzaufnahme von 26 kg am Tag, rund 25 % davon ist Kraftfutter“, ist Hubinger stolz. „Am Melkroboter bekommen die Kühe nur 700 g pelletiertes Kraftfutter pro Melkung als Lockfuttermittel.“ Durchschnittlich melkt Hubingers Herde (Holsteins und Fleckvieh) beeindruckende 34 Liter Milch. Die Futtereffizienz, d. h. das Verhältnis von Trockenmasseaufnahme zu Milchleistung liegt bei 1,35.

Dafür braucht man „ein Bomben-Grundfutter mit höchster Verdaulichkeit! Die Milch kommt aus dem Grundfutter, nicht aus dem Kraftfutter!“, erklärt Kielwein. „Das Kraftfutter brauchen wir nur, um die Kuh energetisch auszubalancieren.“

Humus aufbauen

Das Grundfutter wird nach den Grundzügen der regenerativen Landwirtschaft erzeugt. Das bedeutet, Humusaufbau und Bodenlebewesen fördern. Die hauptsächliche Düngung mit „Kompost“ passt bestens in dieses Konzept. Mineralisch ergänzt Hubinger seine Flächen noch mit Kalk und Schwefel. Außerdem mulcht der Landwirt zeitig im Frühjahr die Spitzen, d.h. die obersten 10 cm des ersten Schnitts, sowie den letzten Schnitt. Das abgemulchte Gras bleibt als Dünger liegen.

Insgesamt bewirtschaftet Hubinger 20 ha Grünland. Auf 24 ha Acker wird zwei Drittel Kleegras und ein Drittel Wintergerste angebaut. Zusätzlich erntet er das Kleegras der umliegenden Bioackerbauern (ca. 20 ha). Das Kleegras wird alle drei Jahre neu angesät. Für den Umbruch kommt kein Pflug zum Einsatz, es wird lediglich auf max. 5 cm „gehobelt“, denn „ich will den Boden in seinen natürlichen Schichten belassen“, ist Hubinger überzeugt.

Carbon Farming als Einnahmequelle?

Hubingers Einsatz zum Humusaufbau dient aber nicht nur der Erzeugung von hochwertigem Grundfutter, der Landwirt ist auch überzeugt davon, damit seinen Beitrag zur Nachhaltigkeit und positiven Wirkung auf das Klima zu leisten. Zusätzlich soll sich das künftig auch im Geldbeutel bezahlt machen. Daher ist der Landwirt Mitglied bei der Ökoregion Kaindorf und will künftig mit CO2-Zertifikaten handeln.

Durch den Humusaufbau wird CO2 gebunden, Unternehmen und Firmen können durch den Erwerb der Zertifikate ihre CO2-Bilanz kompensieren. Pro Tonne gebundenen CO2 wird dem Landwirt ein Zertifikatpreis von 30 € ausgezahlt. In wenigen Wochen steht bei Hubinger die erste Erfolgs-Bodenuntersuchung an. Noch kann er nicht abschätzen, wie viel Einnahmen sich durch den Verkauf von CO2-Zertifikaten lukrieren lassen. „Aber wenn es gut läuft, könnte ich künftig mit den CO2-Zertifikaten meine kompletten Betriebsmittel zahlen“, ist Hubinger zuversichtlich.

Schlagkraft und Trocknung

Vier Schnitte holt Hubinger von seinen Flächen. Dabei erntet er Kleegras und Grünland um eine Woche versetzt, um immer die volle Schlagkraft zu garantieren. Innerhalb von 24 Stunden werden die am Feld nur vorgetrockneten Grasschnitte eingefahren und anschließend in zwei 1.500 m³-Heuboxen für 48 bis 50 Stunden fertig getrocknet. Dafür nutzt Hubinger die Unterdachabsaugung und eine 500 kW-Hackschnitzelheizung. Das Heu hat schließlich einen Rohproteingehalt von 18 bis 19 % und 6,2 MJ NEL. Die Futterkosten liegen bei 35 Ct/l Milch.

Strom für Heutrocknung, Melkroboter und Fütterungsanlage kommt aus einer 100 kWp-Photovoltaik-Anlage. Die Südseite des Stalls wurde mit „In-Dach“ PV-Elementen eingedeckt. Da die Platten leicht lichtdurchlässig sind, wurde auf einen Lichtfirst verzichtet. Zudem gelangt im Sommer auch viel Wärme durch die Platten in den Stall, so trocknet die Einstreu gut ab.

Trotz einer Außen-Traufenhöhe von 8 m und einer optimalen Querlüftung bekamen die Kühe im Sommer Hitzestress. Um die Tiere zu kühlen und die Milchleistung auch im Sommer stabil zu halten, wurden am Futtertisch, in der Melkbox und beim Abkalbebereich bereits temperaturgesteuerte Schlauchlüftungen nachgerüstet. Ziel sind dort 1,8 bis 2 m/s Luftgeschwindigkeit. Über der Liegefläche waren keine Schlauchlüftungen möglich, da dort mit dem Heukran gefahren wird. Dort wurden zwei horizontale Ventilatoren nachgerüstet. Diese können zwar die Kühe nicht kühlen, aber zumindest die Liegefläche abtrocknen.

Lampen steigern D3-Produktion

Direkt hinter dem Schlauch am Futtertisch installierte Hannes Hubinger insgesamt 16 Tageslichtlampen. Diese sollen die Vitamin D3-Produktion der Kuh erhöhen und damit ihr Immunsystem stimulieren. „Die höhere D3-Produktion wirkt sich nachweislich positiv auf die Eutergesundheit und Fruchtbarkeit der Kühe aus“, erklärt Tierarzt Dr. Peter Zieger, der bei allen Fragen rund um Tierwohl, Tiergesundheit und Diagnostik beratend zur Seite stand. „Sie verhalten sich außerdem ruhiger und gelassener.“ Der Zellgehalt von Hubingers Herde liegt derzeit bei 120.000 bis 150.000 Zellen, das Ziel liegt unter 100.000.

Weitere Tageslichtlampen (Stückpreis ca. 300 € netto) hängen außerdem im Kälberbereich und bei den Trockenstehern. Jeden Tag, zwischen 6 und 22 Uhr, also 16 Stunden lang, sind die Lampen an und simulieren so den Tagesverlauf. Eigentlich sollten die Lampen im ganzen Stall aufgehängt werden, doch das funktionierte ebenfalls wegen des Heukrans nicht. Dennoch stellte sich allmählich ein höherer Vitamin D3-Gehalt in der Milch ein.

Unterstützt wird das auch durch den im Sommer täglichen Weidegang der Kühe und viel Licht im Stall. „Zwei Monate nach dem Stalleinzug – da waren die Lampen noch nicht installiert – lag der Vitamin D3-Gehalt in der Tankmilch bei 0,7 μg/100 ml Milch. Jetzt hat er sich bei 1,2 bis 1,3 stabilisiert“, berichtet Hubinger. „Das ist der 10- bis 15-fache Gehalt an Vitamin D3 wie bei normaler Milch.“

Direktvermarktung im Aufbau

Künftig will Hannes Hubinger einen Teil seiner „Sonnenvitaminmilch“ direkt vermarkten. Menschen können Vitamin D3 zwar selbst im Sonnenlicht herstellen. Wer aber zu wenig in der Sonne ist bzw. im Winter kann der Bedarf steigen. In Pandemie-Zeiten wurde das Vitamin sogar als „Hausmittel“ gegen Corona angepriesen.

Noch honoriert die Molkerei Salzburg Milch den höheren D3-Gehalt in der Milch nicht. Aktuell liegt der Bioheumilchpreis bei 67 Cent brutto. Gemeinsam mit seiner Familie steckt Hubinger aktuell deshalb viel Zeit in den Ausbau der Direktvermarktung. Ein Hofladen mit „Hubis Bio-Heumilch“ ist schon fertig. Dort kann man sich die pasteurisierte D3- Bioheumilch für 2 €/Liter zapfen oder Joghurts aus dem Kühlschrank nehmen.

Hergestellt werden die Produkte direkt beim Nachbarhof. Die Bäuerin dort übernimmt die tägliche Produktion, Hannes investierte in die neue Technik der Hofmolkerei und kümmert sich um die Logistik. Die betriebliche Kooperation geht sogar noch weiter: Auch das Jungvieh von Hubinger wird beim Nachbarn aufgezogen. Nach dem Absetzen bis zwei Monate vor dem Kalben bleiben die Tiere in deren Obhut, verrechnet wird nach Tagegeld.

Kälberaufzucht ausgelagert

Künftig wird auch die Kälberaufzucht an einen befreundeten Landwirt ausgelagert. Dort entsteht gerade ein Kälbergesundheitsstall mit ad-Libitum-Tränke und natürlich mit Schlauchlüftung und Tageslichtlam­pen. Denn eine erfolgreiche Milchproduktion „fängt schon bei der Kälberaufzucht an“, ist sich Landwirt Hubinger sicher.

Und damit schließt sich ein weiteres Puzzleteil in seinem Gesamtkonzept. Insgesamt liegt die Investitionssumme bei etwa dem doppelten des sonst in dieser Größenordnung üblichen Niveaus. Doch die vielen kleinen Besonderheiten – vom Humusboden, über das hervorragende Grundfutter, Bio-Heumilchqualität mit Vitaminspezial – summieren sich. Wenn alles weiter nach Plan läuft, soll sich die Investition in etwa 17 Jahren amortisiert haben.

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