Andreas Mak und Elke Burgstaller, LK Kärnten, berichten.
Geht es nach der neuen Tierhaltungsverordnung, sollen Ferkel ihre Ringelschwänze behalten. Das routinemäßige, prophylaktische Kupieren der Schwänze ist verboten. Ab 2023 kommen neue Dokumentationspflichten auf die Schweinehalter zu. Drei Maßnahmen sind für alle schweinehaltenden Betriebe, die ihre Ferkel kupieren, verpflichtend:
- Erhebung von Schwanz- und Ohrenverletzungen,
- Risikoanalyse,
- Tierhaltererklärung.
Die Erhebung von Schwanz- und Ohrenverletzungen (Art und Umfang) erfolgt erstmalig 2023, entweder über das ganze Jahr oder an zwei Stichtagen. Treten bei mehr als 2 % der Tiere Verletzungen auf, ist die sogenannte Unerlässlichkeit festgestellt. Es dürfen kupierte Ferkel gehalten werden. Zusätzlich müssen die Schweinehalter, die ihre Tiere kupieren, jährlich eine standardisierte Risikoanalyse durchführen. Derzeit wird an einer Webapplikation gearbeitet, um die Risikofaktoren herauszuarbeiten. Diese sind Tierbeobachtung und Maßnahmen, Beschäftigung, Stallklima, Gesundheit, Wettbewerb um Ressourcen, Fütterung, Struktur und Sauberkeit.
Daraus ergibt sich die Grundlage der Tierhaltererklärung, die jährlich bis 31. März des Folgejahres in elektronischer Form zu erfassen ist. Die erste muss bis 31. März 2024 erstellt werden.
Betriebe, die ausschließlich Langschwanz-Ferkel halten, müssen Verletzungen, Art und Menge des Beschäftigungsmaterials, Platzangebot und Art und Umfang des Auftretens von für das Tierwohl relevanten Ereignissen (Kämpfe) dokumentieren und in eine Tierhaltererklärung einarbeiten, Risikoanalyse ist keine nötig.
Anfang 2023 wird die LK Infoveranstaltungen dazu organisieren. Die Experten der Kammer haben sieben Risikofaktoren für Schwanz- und Ohrenbeißen herausgearbeitet.
1. Beschäftigung
Weil Schweine von Natur aus einen starken Bewegungs- und Erkundungsdrang haben, kann eine reizarme und unstrukturierte Umgebung Schwanzbeißen begünstigen. Auch Praktiker berichten, dass Schweine wie kleine Kinder beschäftigt werden müssten. Durch Anbieten von wechselnden organischen Beschäftigungsmaterialien kann das gelingen. Diese sollen ess-, kau-, untersuch- und bearbeitbar sein. Forschungsergebnisse des Versuchs- und Bildungszentrums für Schweinehaltung Schwarzenau zeigen, dass die Gruppen, bei denen Luzernecobs in separaten Trögen angeboten werden, die geringsten Schwanzverletzungen aufweisen. Das Einmischen in die Ration hat jedoch zu keinem merklichen Erfolg geführt. Außerdem wurde in diesem Versuch gezeigt, dass die Erhöhung des Platzangebots in den Buchten zu keiner signifikanten Reduktion der Schwanzverletzungen führt.
Im Gegensatz dazu berichten Praktiker, dass durch das Umstrukturieren der Buchten (Öffnen der Buchtentrennwände zum Gang) dem Erkundungsdrang der Tiere entsprochen werden kann und so neue Reize geschaffen werden. Ebenso kann durch den Einsatz von Grobfutter in Futterkörben positiv auf das Wohlbefinden der Tiere und somit auch auf das Schwanzbeißgeschehen eingewirkt werden. Zu beachten ist beim Einsatz von Grobfutter, dass dem zunehmenden Fliegenbesatz entgegengesteuert werden muss. Außerdem ist es empfehlenswert, Futterkörbe über planbefestigten Flächen anzubringen, um Probleme mit der Gülletechnik möglichst gering zu halten.
2. Stallklima
Temperatur und Luftführung sind den Bedürfnissen der Tiere anzupassen. Zugluft und direkte Sonneneinstrahlung sollten vermieden werden. Positiv wirkt sich hingegen die Schaffung von verschiedenen Klimazonen auf das Wohlbefinden der Schweine aus. Dafür ist die regelmäßige Einstellung und Überprüfung der Lüftungsanlage auf Sommer- und Winterbetrieb unabdingbar. Außerdem sollte die Luftqualität laufend kontrolliert werden. Denn erhöhte Schadgaskonzentrationen führen zu einer schlechteren Tiergesundheit. Ein hoher Staubgehalt ist im Biobereich (wo der Langschwanz schon lange vorgeschrieben ist) ein großer Risikofaktor, der durch Beeinträchtigung der Lungengesundheit das Risiko des Schwanzbeißens erhöht.
3. Tiergesundheit
Regelmäßige Abstimmungen zwischen Schweinehalter und Tierarzt sowie die Teilnahme am Tiergesundheitsdienst und die Einhaltung der Biosicherheitsmaßnahmen sind für die Erhaltung eines gesunden Schweinebestands unabdingbar. Weil kranke Tiere weniger Ausweichverhalten zeigen, führt das Unwohlsein oft zu Schwanzbeißen. Um keine erkrankten Tiere einzustellen, ist beim Tierbezug auf einen guten Gesundheitsstatus zu achten. Zudem ist es empfehlenswert, das Mischen von Tieren mehrerer Herkünfte zu vermeiden und regelmäßige Parasitenbekämpfungen durchzuführen.
4. Fütterung und Tränke
Nicht nur eine bedarfsgerechte Futterzusammensetzung, sondern auch Futterhygiene und -qualität sind für das Tierwohl wichtig. Abrupte Futterumstellungen sollten vermieden werden. Die Zugabe von Raufutter hat positive Auswirkungen auf die Darmgesundheit und dient als Beschäftigung. Zu feine Vermahlung des Futters wirkt sich negativ aus. Außerdem sollten regelmäßige Futtermitteluntersuchungen zur Bestimmung der Qualität (Mykotoxinbelastung) durchgeführt werden. Gleiches gilt für die Wasserqualität: Auch das Wasser sollte regelmäßig analysiert werden. Zusätzlich ist auf entsprechende Durchflussraten an den Tränken zu achten (z. B. 1,5 bis 1,8 l pro Minute für Sauen, Jungsauen und Eber).
5. Struktur und Sauberkeit
Schweine gliedern ihre Umwelt von Natur aus in einen Fress-, Aktivitäts-, Liege- und Kotbereich, wenn ihnen genügend Platz zur Verfügung steht. Durch diese Strukturierung kann das Wohlbefinden der Schweine gesteigert und Stress reduziert werden. Vor allem der Liegebereich sollte so angelegt sein, dass dieser nicht durchquert werden muss, um in andere Bereiche zu gelangen. Tränken sollten daher im Aktivitätsbereich montiert werden. Die Attraktivität dieses Ausscheidungsbereichs kann z. B. durch eine offene Trennwand (Gitterwand) zur Nachbarbucht oder eine entsprechende Bodengestaltung erhöht werden.
6. Wettbewerb um Ressourcen
Es sollte darauf geachtet werden, Stress für die Tiere in Form von Konkurrenzsituationen zu vermeiden, indem der gleichzeitige Zugang zu Futter, Wasser und Beschäftigungsmaterial möglichst vieler Tiere gewährleistet wird. Vor allem in der Ferkelabsetzphase ist ein Tier-Fressplatz-Verhältnis von 1 : 1 zu empfehlen. Dies kann durch den zeitweisen Einsatz von zusätzlichen Trögen zu den bestehenden Futterautomaten erreicht werden. Konkurrenz um Wasser kann vermieden werden, indem Tränken im Aktivitätsbereich der Tiere montiert werden.
7. Genetik
Neue wissenschaftliche Erkenntnisse zeigen, dass auch die Genetik einen Einfluss auf Schwanzbeißen hat. In einer Studie der Universität Gießen wird eindeutig ein Zusammenhang zwischen dem Eber (der Rasse und der Linie) und dem Auftreten des Entzündungs- und Nekrosesyndroms (SINS) bei neugeborenen Saugferkeln nachgewiesen. SINS führt zum Absterben von Schwanz- und Ohrenteilen. Der Geruch des absterbenden Gewebes kann dann andere Ferkel zum Schwanzbeißen animieren. Eber, die Verhaltensstörungen wie Stangenbeißen zeigen, neigen zur Vererbung von SINS. Diese sollten nicht zur weiteren Zucht eingesetzt werden. In dem angeführten Versuch zeigt die Rasse Duroc deutliche Vorteile gegenüber der Rasse Pietrain. Davon sind jedoch nicht alle Pietrain-Linien betroffen.
--------------------------
Reportage
Langschwanz ist bester Indikator für Gesundheit
Die Ringelschwänze der Duroc-Ferkel am Betrieb von August Friedl in Hatzendorf in der Oststeiermark bleiben lang. „Wir hatten ein Ferkel beim Kupieren übersehen und es ist bis zum Verkauf unbeschadet geblieben, obwohl es das einzige mit Langschwanz war“, schildert Friedl. Danach hat er es mit allen Ferkeln seiner 40 Muttersauen probiert und ist dabei geblieben.
Seit sechs Monaten ist er mit seinen 318 Mastplätzen auch beim AMA-Tierwohl 100 Programm. In seinem neu adaptierten Stall gibt es einen Außenklimabereich, befestigte Liegeflächen und Stroheinstreu. Statt der alten 10er-Buchten, haben jetzt 80 und 90 Mastschweine in einer Bucht Platz. Heuer konnte die Familie mit ihrem umgebauten Stall sogar den Tierschutzpreis in der Steiermark gewinnen. „Wir haben ein geschlossenes System und verkaufen rund 1 000 Mastschweine im Jahr", sagt Friedl.