Herkunftskennzeichnung und Tierschutzpaket, es sollte das große Finale von Elisabeth Köstinger als Landwirtschaftsministerin sein. Gemeinsam mit dem zuständigen Tierschutzminister Johannes Rauch von den Grünen präsentierte sie Anfang Mai das Tierschutz-Paket. Novelliert hat die Regierung im Zuge dessen das Tierschutzgesetz, das Tiertransportgesetz und die Tierhaltungsverordnung.
Der mediale Aufschrei bei Tierrechtsorganisationen über die Neuerungen war groß, „ein Schock für Tierschutz-Österreich“ wurde kolportiert. Im Landwirtschaftsbereich spricht man von einer Kompromisslösung, mit der ein Großteil der Tierhalter zufrieden sein kann.
Die Zentrale Arbeitsgemeinschaft der Rinderzüchter (ZAR) hat am Gesetz mitgearbeitet, trotzdem hat die dauernde Anbindehaltung für Rinder mit 1. Jänner 2030 ein Ablaufdatum. Betroffen sind rund 4 700 Betriebe, die ihre Stallungen umbauen oder die Tierhaltung aufgeben müssen. „Das Auslaufen der Ausnahmeregelungen ist für den einen oder anderen Betrieb sehr schmerzlich. Durch den Druck des Lebensmitteleinzelhandels konnte die Regelung nicht mehr aufrechterhalten werden. Die Betriebe haben nun acht Jahre Zeit, mit Umbaulösungen die Ställe zu adaptieren“, erklärt Lukas Kalcher, Pressesprecher von Rinderzucht Austria.
Acht Jahre Zeit für Umbau
Beim Kälbertransport sei der Interessensvertretung ein gangbarer Kompromiss gelungen. „Die zuerst geforderten Transporte von Kälbern ab der vierten Woche hätten zu Platzproblemen und hohen Futterkosten bei den Bauern geführt. Mit drei Wochen, die jetzt im Gesetz stehen sollen, können wir zufrieden sein“, sagt Kalcher.
Unbeschadet von dieser neuen Regelung dürfen Kälber, Lämmer, Kitze, Fohlen oder Ferkel auch bis zu einem Alter von drei Wochen innerbetrieblich sowie zur Alm- und Weidefläche transportiert werden. Darüber hinaus dürfen Kälber weiterhin zwischen zwei Betrieben innerhalb eines Bundeslandes bzw. bis höchstens 100 km transportiert werden. Das Tiertransportgesetz sieht außerdem vor, dass es bei Zuchttieren, die in Staaten außerhalb der EU geliefert werden, nachweislich ein Herdenaufbau stattfinden muss.
„Das Exportverbot von Schlacht- und Mastrindern nach Drittstaaten berührt uns nur wenig, da dies ohnehin in den vergangenen Jahren nicht mehr exportiert wurden und Nutzrinder nur zu einem geringen Teil“, erklärt Kalcher. Hinzu kommen die verpflichtenden Retrospektivkontrollen.
Auch hier zeichnen die Exportfirmen bereits umfangreiche Daten auf, die eine Kontrolle im Nachhinein ermögliche, sei es das Filmen beim Abladen der Tiere, die Temperaturaufzeichnung oder die Ermittlung des genauen Standortes des Lkw via GPS. Neu ist, dass die Tierschutzombudspersonen der Länder juristisch gestärkt werden und Parteistellung in Verfahren nach dem Tiertransportgesetz haben.
Neue Standards für Schweine
Bei der Schweinehaltung gibt es ab 1. Jänner 2023 neue gesetzliche Mindeststandards für neu gebaute, umgebaute oder erstmals in Betrieb genommene Gruppenhaltungen von Absatzferkeln, Mastschweinen und Zuchtläufern. Die Haltung in unstrukturierten Vollspaltenbuchten ist dann in diesen Ställen verboten.
Die Schweine bekommen mehr Platz. „Für die Aufzucht bis 30 kg braucht es 0,4 m² Platz, statt bisher 0,3 m² und bei der Mast sind es 0,8 m² statt 0,7 m²“, erklärt Michael Klaffenböck, Geschäftsführer des Verbands Österreichischer Schweinebauern (VÖS). Auch die Mindestbuchtengröße ist bei der Aufzucht mit 10 m² und bei der Mast mit 20 m² definiert. Zusätzlich braucht es einen ausgewiesenen Liegebereich mit maximal 10 % Perforation. Ein generelles Verbot der Vollspaltenböden ist nicht geplant.
Bauern brauchen Sicherheit
Die Beibehaltung der Planungssicherheit von bestehenden Betrieben soll durch eine Evaluierung der Haltungssysteme im Rahmen eines Forschungsprojekts bis 2026 sichergestellt werden. Untersucht wird die Bodenbeschaffenheit, die Perforationsdichte und der Einsatz von Beschäftigungsmaterial in bestehenden Stallungen.
Ziel ist es, Leitfäden für die Betriebe zu erarbeiten, hin zu mehr Tierwohl, Zufriedenheit der Landwirte und Akzeptanz bei den Konsumenten. „Die Verunsicherung bei den Betrieben ist nach wie vor groß, es muss jetzt Ruhe einkehren, wenn die Novellen beschlossen sind“, sagt Klaffenböck. Für die österreichischen Schweinehalter sei Planungssicherheit das oberste Gebot, meint Raimund Tschiggerl, Geschäftsführer von Styriabrid: „Kein Bauer kann es sich leisten, auf Tierwohl umzusteigen ohne einen Markt dafür zu haben oder eine Kostenabgeltung zu bekommen.“ Von den Vollspaltenböden bei Neubauten habe sich die Branche schon verabschiedet. „Wenn man ernsthaft umstellen möchte, brauchen wir eine Investitionsförderung von mindestens 70 % mit einer anrechenbaren Leistung von bis zu 1,5 Mio. €“, meint Tschiggerl. Damit schaffe man ein Anreizsystem für die Schweinebauern und gleichzeitig werde das Endprodukt nicht massiv verteuert.
Neu ist ein Kapitel im Grünen Bericht über die Weiterentwicklung der Stallsysteme und der Fördermaßnahmen im Schweinebereich mit den Schwerpunkten Tierwohl, Wirtschaftlichkeit, nationale Selbstversorgung.
„Wichtig wäre ein Masterplan für die Umsetzung von solchen Tierwohlställen. Es hilft nichts, wenn wir ein schönes neues Gesetz haben, die Bauern aber die Kommissionierung ihrer Stallbauten nicht durchbringen“, sagt Tschiggerl. Es bräuchte Richtlinien für alle Bundesländer, um es den Landwirten zu erleichtern tierwohlkonform Schweine zu halten.
Bis zu 15.000 € Strafe
Rechtsanwalt Dr. Levente Nagy hat den Gesetzesentwurf bereits geprüft. Als verfassungs- oder EU-rechtswidrig stuft er die Gesetzesänderungen ad hoc nicht ein. „Doch vor allem bei der Entschädigung der Bauern sehe ich ein Problem. Das Gesetz greift in ihre Rechte ein und schränkt etwa beim Verbot der Anbindehaltung die Erwerbsfreiheit ein. Vor allem Bergbauern hätten oft keine andere Möglichkeit, Rinder zu halten. Ein konkreter Plan für eine Kompensation enthält das Gesetz nicht. Auch die bevorzugte Alternative, wie Weidegang, Umbau oder Neubau, lässt das Gesetz offen“, sagt der Anwalt.
Sonst werden sich die Landwirte an die neuen Gesetze halten müssen. „Die Strafen fallen nicht drakonisch aus, es gibt einen Rahmen für die Verwaltungsstrafen bis maximal 7.500 €, im Wiederholungsfall bis zu 15.000 €“, erklärt Nagy. Die genaue Höhe liege im Ermessen der Gerichte.